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Wie sich Kontakte zwischen Nervenzellen gestalten

10.06.2021

Superauflösende STED-Mikroskopie macht es möglich, die Dynamik synaptischer Kontaktstellen im gesunden und kranken Gehirn in feinsten Details zu beobachten.

Veränderungen der Dornfortsätze in einer Maus werden mit superauflösender STED-Mikroskopie über einen Monat beobachtet. | © Willig Group/MPI

Nervenzellen im Gehirn bilden kleine Ausstülpungen, sogenannte Dornfortsätze, an deren Ende sich meistens eine Kontaktstelle zu einer anderen Nervenzelle, eine sogenannte Synapse befindet. Synapsen können sowohl kurzlebig sein als auch über sehr lange Zeiträume, manche sehr wahrscheinlich ein Leben lang, existieren. Kurzlebige Kontaktstellen sind Ausdruck eines sich ständig anpassenden Gehirns, eines Prozesses, der notwendig ist, um neue Eindrücke und Erfahrungen ‚zu verarbeiten‘. Langlebige, stabile Kontaktstellen andererseits bilden die Grundlage unseres Gedächtnisses. Aber selbst stabile Gedächtnisinhalte können teilweise mit der Zeit variieren. Die Grundlage dieses Prozesses ist bisher wenig verstanden.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Katrin Willig am Göttinger Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin und Sabine Liebscher an der LMU ist es nun gelungen, im Gehirn einer Maus mithilfe superauflösender STED-Mikroskopie kleinste strukturelle Veränderungen an den Dornfortsätzen – im Größenbereich von Nanometern – über einen Monat zu beobachten. Die im Fachmagazin Science Advances erschienene Arbeit zeigt, dass die Strukturen zwar über einen Zeitraum von mindestens einem Monat am selben Ort vorhanden sind, sich deren Untereinheiten aber in ihrer Größe und Form stark verändern. Synaptische Strukturen sind somit einerseits stabil, aber gleichzeitig auch ‚volatil‘ – dynamisch – und somit anpassungsfähig.

Die Synapsen sind eingebettet in einem umgebenden Netzwerk von Millionen Nervenzellen und Stützzellen, sie liegen tief im Gewebe und sind somit schwer mit herkömmlicher Lichtmikroskopie abgebildet werden können. Voll funktionsfähig und ‚lernbereit‘ sind Synapsen nur in einem intakten Organismus. Die Bildaufnahme mit Nanometer-Auflösung wie durch die STED Mikroskopie ist allerdings in Organismen deutlich erschwert, da zum Beispiel durch den Blutfluss in den Kapillaren ständig Bewegung auftritt. Den Forschern ist es nun gelungen, die Technik soweit zu optimieren, dass Gehirnstrukturen nicht nur wie bisher über Stunden, sondern über Wochen und bis zu einem Monat im Gehirn einer Maus beobachtet werden können. Dabei ermöglicht die STED-Mikroskopie, kleinste Bestandteile der Dornfortsätze wie deren dünnen Hals und ausgestülpten Kopf zu analysieren. Die Größe und Weite dieser Komponenten der Dornfortsätze bestimmt die Stärke einer Synapse.

Gleichzeitig untersuchten die Forscherinnen und Forscher die Dornfortsätze auch in einem Mausmodell der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), einer degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems. Obwohl die Mäuse noch nicht sichtbar erkrankt waren, konnten die Forscher eine strukturelle Veränderung der Dornfortsätze feststellen, die als ein erstes Anzeichen der Krankheit gedeutet werden kann und somit einen ungeahnten Einblick in die Neuropathologie der ALS bieten.

Die relative lange Beobachtungszeit von vier Wochen und eine Auflösung von unter 100 Nanometern eröffnet der Hirnforschung ungeahnte, neue Möglichkeiten. In Zukunft sollen mit dieser Technik zum Beispiel auch Lernvorgänge untersucht werden, um so eindeutig zu zeigen, welche dieser morphologischen Veränderungen gezielt hervorgerufen werden können und zur Speicherung von Erlerntem beziehungsweise zu dessen Verlust beitragen. (MPI/LMU)

Die Publikation ist online abrufbar: Heinz Steffens et al.: Stable but not rigid: Chronic in vivo STED nanoscopy reveals extensive remodeling of spines, indicating multiple drivers of plasticity. Science Advances 2021

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