Wirtschaftsgeographien der Zukunft: Wie kommt das Neue in die Welt?
07.01.2025
Johannes Glückler, neuberufen an der LMU, untersucht die Netzwerke, Institutionen und Governance von Innovation in ihrem räumlichen Kontext.
07.01.2025
Johannes Glückler, neuberufen an der LMU, untersucht die Netzwerke, Institutionen und Governance von Innovation in ihrem räumlichen Kontext.
Wie entstehen Innovationen? Warum setzen sich die einen durch, während die anderen scheitern – und vor allem: wo? Der neueste Artikel des Lehrstuhls von Professor Johannes Glückler zeigt anhand von Kryptowährungen, wie vielschichtige Kontroversen um bahnbrechende Neuerungen entstehen. Er beleuchtet, wie soziale Netzwerke und Institutionen in spezifischen geographischen Kontexten über Erfolg und Scheitern dieser Neuerungen entscheiden. Ein Schwerpunkt seiner Forschung liegt genau auf diesem Spannungsverhältnis zwischen der gesellschaftlichen Notwendigkeit für Transformation einerseits, z.B. hin zu inklusivem Wohlstand und Nachhaltigkeit, und den Kontroversen, die Innovationen in diesem Prozess hervorrufen.
Johannes Glückler ist seit September 2023 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographien der Zukunft am Department für Geographie der LMU. Er erforscht dort Geographien der Innovation und des sozioökonomischen Wandels. Glückler hat maßgeblich den Ansatz der Relationalen Wirtschaftsgeographie geprägt. „Relational bedeutet, wirtschaftliche Prozesse und deren Folgen als bedingt zu sehen von den Interaktionen und Beziehungen zwischen Akteuren, und zwar in spezifischen institutionellen und geographischen Kontexten“, erklärt Glückler.
Glücklers Forschung basiert auf drei Säulen: Netzwerke, Institutionen und Governance. Soziale Netzwerkforschung ermöglicht es, die Strukturen von Beziehungen zwischen Akteuren und ihre Wirkung auf wirtschaftlichen Wandel zu analysieren. Institutionen prägen stabile Muster gesellschaftlichen Austauschs und zugrundeliegender Normen. Deren Wandel beeinflusst die Verbreitung oder Blockade von Innovationen. Und die Governanceforschung beschäftigt sich damit, wie sich Akteure kollektiv koordinieren, um unter Berücksichtigung der geographischen und kulturellen Vielfalt der Beteiligten gemeinsame Ziele zu erreichen.
Mit diesen Ansätzen erforscht Glückler zum Beispiel die Wirkung von Digitalisierung, neuen Technologien und Zielen der Nachhaltigkeit auf Wertschöpfung und deren räumliche Organisation, u.a. in der Bioökonomie, der Kreativwirtschaft oder auch der Rohstoffwirtschaft. Aktuelle Projekte analysieren etwa die Transformation von rohöl- hin zu biobasierten Textilien, die Harmonisierung nationaler Rechtskulturen im Zuge der Einrichtung des Einheitlichen Europäischen Patentgerichts, die Rolle räumlicher Peripherien in kontroversen Innovationen und die Rolle des Staats bzw. des öffentlichen Vergabewesens für nachhaltige und inklusive Entwicklung von Regionen.
Johannes Glückler hat Geographie, Soziologie und Psychologie an der Universität Würzburg, der London School of Economics und der Universidad de Salamanca studiert. Im Jahr 2004 wurde er an der Universität Frankfurt promoviert. Seine erste Professur nahm er an der Katholischen Universität Eichstätt an, bevor er von 2008 bis 2023 einen Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeographie an der Universität Heidelberg innehatte.
Neben der Grundlagenforschung engagiert sich Johannes Glückler in der angewandten Forschung in Kooperation mit Unternehmen. Ebenso unterstützt er Ministerien, Kammern und Verbände mit Studien und Beratung zu Themen regionaler Entwicklung und Governance, Innovationsnetzwerken und zur regionalwirtschaftlichen Wirkung von Bildung und Kultur. Beispielhaft sind zahlreiche Studien zur Ermittlung der regionalökonomischen Effekte der Universitäten in Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Baden-Württemberg. Seine gerade abgeschlossene Studie zeigt: „Die Universitäten in Baden-Württemberg generieren aus den knapp drei Milliarden Euro Landesmitteln eine Bruttowertschöpfung von fast acht Milliarden Euro. Das ist kaum mit anderen Verwendungen öffentlicher Gelder zu erreichen.“
Für mich als Wirtschaftsgeograph ist München ideal. Hier lassen sich Entwicklungschancen von Unternehmen und Regionen im räumlichen Kontext bestens erforschen.Johannes Glückler , Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographien der Zukunft am Department für Geographie der LMU
Die Metropolregion München ist für den Professor der Wirtschaftsgeographie ein besonders attraktiver Forschungsstandort: Sie ist ein wichtiger Motor für die europäische Wirtschaft, dessen Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit auf einer großen Vielfalt gründet, die vom Ingenieurwesen und der Autoindustrie bis hin zu Hochtechnologien, Medien und Finanzdienstleistungen reicht. „Für mich als Wirtschaftsgeograph ist München ideal. Hier lassen sich Entwicklungschancen von Unternehmen und Regionen im räumlichen Kontext bestens erforschen“, erklärt er.
An der LMU treibt er mit seiner Forschung auch die internationale Zusammenarbeit weiter voran. Unter anderem gründet Glückler im Rahmen seiner Lateinamerikaforschung gerade den GIST-Hub, ein BMBF-gefördertes Projekt zum Aufbau einer strategischen Partnerschaft zwischen der LMU und der Universität in Santiago de Chile (UC). Der GIST-Hub verfolgt gemeinsame Forschung und den Aufbau eines Weiterbildungsprogramms für Entscheidungspersonen im Bereich inklusiver Governance- und Innovationslösungen im Zuge der Nachhaltigkeitstransition in Energie- und Rohstoffwirtschaft. Bereits 2012 hatte Glückler in einer Kooperation zwischen der Universität Heidelberg und der UC den Masterstudiengang Governance of Risk and Resources mitbegründet.
„Ich freue mich, in München zu sein und meine Erfahrung mit den Möglichkeiten der Exzellenzuniversität LMU zu verbinden“, sagt Johannes Glückler. Der Name seines Lehrstuhls Wirtschaftsgeographien der Zukunft spiegelt seine Vision wider: „Das ist ein Aufruf, unsere Neugier und unser Wissen nach vorne zu richten.“