Zellbiologie: So schützen Zellen ihr Zentrosom vor mechanischen Kräften
25.04.2025
Durchqueren bewegliche Zellen des Immunsystems Gewebe, wirken starke Kräfte auf sie. Forschende der LMU haben jetzt entdeckt, wie Zellen ihr empfindliches Zellorganell vor Zerstörung schützen.
Zellen des Immunsystems müssen sich im Falle einer Infektion schnell vermehren, um Krankheitserreger effektiv zu bekämpfen. Und sie quetschen sich oft durch enge Poren, um Bakterien oder Viren am Ort der Infektion zu erreichen.
Dabei treten teils starke mechanische Kräfte auf. Davor, dass sie das Zentrosom beschädigen, ist dieses durch zwei Proteine im Zellinneren geschützt, wie Forschende um Dr. Jörg Renkawitz in Science Advances berichten. Renkawitz ist Leiter der unabhängigen Forschungsgruppe „Cell & Mechano Biology of the Immune System“ am Biomedizinischen Centrum (BMC) der LMU.
Zum Hintergrund: Wenn Immunzellen sich durch enge Gewebespalten zwängen oder komplexe Umgebungen durchqueren, geraten sie unter erheblichen mechanischen Stress. Diese Verformungen belasten die gesamte Zellstruktur. Besonders betroffen ist dabei das Zentrosom, ein Organell innerhalb von Zellen, das nicht von einer schützenden Membran umgeben ist.
Zentrosomen sind kleine Organellen in der Nähe des Zellkerns, die wie ein „Organisationszentrum“ für das Zytoskelett funktionieren – genauer gesagt für Mikrotubuli, also dünne Eiweißröhrchen, die der Zelle Stabilität geben und bei Transportvorgängen innerhalb der Zelle helfen.
„Wir haben entdeckt, dass das Zentrosom mechanischen Kräften ausgesetzt ist und sogar zerbrechen kann, wenn sich Zellen durch enge oder komplexe Umgebungen bewegen“, sagt Renkawitz. „Diese Brüche führen dazu, dass mehrere konkurrierende Mikrotubuli-Organisationszentren entstehen, was die Navigation von Zellen wie Immunzellen stört.“ Die Forschenden konnten zeigen, dass das Aktin-Zytoskelett – ein wichtiger Bestandteil der Zellstruktur, der unter anderem an der Bewegung von Zellen beteiligt ist – mechanische Kräfte direkt auf das Zentrosom überträgt.
In Experimenten mit markierten dendritischen Zellen – ein Typ von weißen Blutkörperchen des Immunsystems – von Mäusen ist es gelungen, diese Vorgänge zu beobachten und zu filmen: Besonders bei gerichteter Bewegung durch enge Gewebestrukturen zeigte sich, wie sich die beiden Zentriolen, die paarweise das Zentrosom bilden, voneinander wegbewegten. Diese sogenannte Streckdeformation trat vor allem dann auf, wenn die Zelle sich mit ihren Fortsätzen durch Engstellen zwängte oder gleichzeitig mehrere Fortsätze ausbildete, um nach einem geeigneten Weg zu suchen.
Zwei Proteine schützen das Zentrosom
Ganz schön eng: Zellen unter mechanischem Stress. Aufnahme: Renkawitz Group
Anschließend haben die Forschenden in Immunzellen zwei Gene ausgeschaltet, um herauszufinden, ob sie protektive Eigenschaften haben. Beide Gene kodieren für Proteine, die mit dem Zentrosom assoziiert sind: die Proteinkinase Dyrk3 (Dual specificity tyrosine-phosphorylation-regulated kinase 3) und das Protein cNAP1 (centrosomal Nek2-associated protein 1).
Das Ergebnis: Fehlten die Proteine, wurde das Zentrosom instabil und brach unter mechanischer Belastung rasch auseinander. Dadurch wurden gerichtete Bewegungen der Zellen deutlich gestört – ein Hinweis darauf, dass diese Proteine eine entscheidende Rolle im Schutzmechanismus des Zentrosoms spielen. „Diese Entdeckungen zeigen, dass Zellen ihre inneren Strukturen – insbesondere Organellen wie das Zentrosom – aktiv vor mechanischem Stress schützen“, erklärt Madeleine T. Schmitt aus Renkawitz´ Forschungsgruppe. Sie ist Erstautorin der Publikation.
Da nahezu alle Zellen mechanischen Kräften ausgesetzt sind, sei es durch Bewegung, Druck oder Verformung, könnte dieser Mechanismus von grundlegender Bedeutung sein. Besonders für bewegliche Zelltypen wie Immunzellen oder Krebszellen könnte die Stabilität des Zentrosoms und anderer Zellorganellen entscheidend für ihre Funktion und Mobilität sein.
Perspektivisch sieht Renkawitz die Möglichkeit, bewegliche Krebszellen durch die Hemmung der Stabilität ihrer Organellen, wie des Zentrosoms, empfindlich für mechanische Kräfte zu machen – und damit in den Zelltod zu treiben: ein neues therapeutisches Prinzip.
Madeleine T. Schmitt, Janina Kroll, Mauricio J.A. Ruiz Fernandez, Robert Hauschild, Shaunak Ghosh, Petra Kameritsch, Jack Merrin, Johanna Schmid, Kasia Stefanowski, Andreas W. Thomae, Jingyuan Chen, Gamze Naz Öztan, Peter Konopka, Germán Camargo Ortega, Thomas Penz, Luisa Bach, Dirk Baumjohann, Christoph Bock, Tobias Straub, Felix Meissner, Eva Kiermaier, Jörg Renkawitz: Protecting Centrosomes from Fracturing Enables Efficient Cell Navigation. Science Advances, 2025