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Zwei LMU-Wissenschaftler von BAdW ausgezeichnet

17.01.2022

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften (BAdW) hat im vergangenen Dezember die Doktorandin Caterina Schürch mit dem Max-Weber-Preis sowie den Doktoranden Paul Hullmeine mit dem Akademiepreis ausgezeichnet.

Max-Weber-Preis und Akademiepreis der Karl Thiemig-Stiftung:

Max-Weber-Preis

Caterina Schürch wird für ihre Dissertation Die Suche nach fundamentalen physiologischen Mechanismen: Kooperationen zwischen Biologie, Physik und Chemie (1918-1939) mit dem Max-Weber-Preis der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) 2021 geehrt. Die Akademie würdigt damit Caterina Schürchs herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Geschichte der Biowissenschaften.

Empirisches und methodisches Neuland

In ihrer Arbeit, mit der sie im Februar 2021 an der LMU promoviert wurde, untersucht die Nachwuchswissenschaftlerin einen Typ biologischer Forschung, der seit den 1920er- und -30er-Jahren an Bedeutung gewann: Die Erklärung von Lebensprozessen durch ihre Rückführung auf intrazelluläre „Mechanismen“.

Damit betritt Schürch empirisch wie methodisch Neuland. Die von ihr beleuchtete biologische Forschung erforderte eine enge Zusammenarbeit von Biologie, Physik und Chemie, zu einer Zeit, als dies noch längst nicht selbstverständlich war.

„Wissenschaftsgeschichte arbeitet per se interdisziplinär“, sagt Caterina Schürch. „Gleichzeitig ist Interdisziplinarität auch als Forschungsgegenstand spannend. Mich hat die Vorstellung interessiert, dass man innerhalb eines Fachs Probleme und Methoden kennenlernt – und dann als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler an einen Punkt stößt, an dem man erkennt, dass man mit den eigenen Methoden allein nicht mehr weiterkommt, die Hilfe anderer Disziplinen braucht – und wie diese Erkenntnis die Basis für eine Kooperation bilden kann“, sagt sie.

Disziplinenübergreifende Kooperation

An vier Beispielen aus Sinnesphysiologie, Hormonforschung, chemischer Genetik und Elektrophysiologie untersucht Schürch, wie Forscherinnen und Forscher darum rangen, die unterschiedlichen Ziele, Ressourcen und Methoden der Fächer gewinnbringend zusammenzuführen. Analytisch nutzt sie dabei neuere Ansätze der Wissenschaftsphilosophie und prüft deren Anwendbarkeit und Geltungsbereich. So zeigt die Arbeit die Stärken einer historischen Epistemologie, die wissenschaftstheoretische Konzepte für die Wissenschaftsgeschichte fruchtbar macht.

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften hebt hervor, dass Schürchs Ansatz zu einem besseren Verständnis einer enorm einflussreichen, aber bisher weithin unbeachteten Forschungstradition und zu einem theoretischen Modell verhelfe, das erklärt, wann disziplinenübergreifende Kooperation besonders gut funktioniert und warum sie in manchen Fällen scheitert. „Welche Ziele die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfolgen und wie sie denken, vorgehen zu müssen, um diese zu erreichen, sagt oft schon viel darüber aus, wie sie sich anderen Disziplinen gegenüber verhalten“, sagt Caterina Schürch.

Schürchs Fragestellung ist dabei nicht nur historisch aufschlussreich, sondern auch von aktueller systematischer Relevanz, wie die BAdW in der Laudatio betont. „Die Beispiele sind frisch, die Methode ist innovativ, die Argumentation klar und der Forschungsertrag überragend.“ Caterina Schürch gehöre mit ihren analytisch scharfen Forschungsbeiträgen international zu den herausragenden jungen Forscherinnen in der Wissenschaftsgeschichte. Der Max-Weber-Preis, mit dem ihre Arbeit ausgezeichnet wird, wird für besondere Leistungen in den Geisteswissenschaften vergeben, ist mit 4.000 Euro dotiert und wird aus Mitteln der Stiftung zur Förderung der Wissenschaften in Bayern finanziert.

Treppenhaus in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

© BAdW / S. Obermeier

Akademiepreis der Karl Thiemig-Stiftung

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften (BAdW) verleiht in diesem Jahr den Akademiepreis der Karl Thiemig-Stiftung an Paul Hullmeine für seine Dissertation Ptolemaic Astronomy in the Cosmological Debates in Classical Arabic Thought. LMU-Doktorand Hullmeine verfasste die Arbeit im Rahmen des BAdW-Projekts „Ptolemaeus Arabus et Latinus“.

Wissenschaftliche Pionierleistung

Hullmeines Dissertation ist einem bislang kaum erschlossenen Werk des großen antiken Astronomen Ptolemäus gewidmet: den nur auf Arabisch vollständig erhaltenen Planetenhypothesen. Die prämierte Doktorarbeit besteht aus zwei großen Teilen, einer kritischen Edition der Planetenhypothesen samt englischer Übersetzung und Kommentar sowie einer Studie zum Einfluss des Werks auf die arabische Kosmologie des 8. bis 14. Jahrhunderts.

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften würdigt Hullmeines Arbeit in der Laudatio als eine Pionierleistung. „Er hat das geschafft, was vor ihm keinem Forscher gelungen war: dieses vermutlich wichtigste Werk der antiken Kosmologie zu edieren, zu verstehen und seinen Einfluss zu beschreiben.“

Ein Meilenstein für die Kosmologiegeschichte

Hullmeine zeigt, dass die Planetenhypothesen eine große Kohärenz aufweisen – sie stellen den Versuch dar, den Kosmos über die mathematischen Modelle hinaus zu begreifen und ein möglichst wahrscheinliches physikalisches Modell zu entwickeln. Dieser Versuch einer physikalischen Erklärung der Himmelswelt wurde von griechischen und arabischen Autoren wenig zitiert. Hullmeine weist jedoch nach, dass sie weithin bekannt war und viel benutzt wurde.

„Mich hat es fasziniert zu erforschen, wie bestimmte Ideen und Konzepte über die Zeit, über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg immer wieder neu aufgegriffen und interpretiert werden und dabei trotzdem relativ stabil bleiben“, sagt Paul Hullmeine.

Das Gesamtbild der Rezeption, die er in seiner Dissertation nachzeichnen und herausarbeiten kann, ist das einer brodelnden Unterströmung über viele Jahrhunderte lang: Die Planetenhypothesen waren eine ständige Denkprovokation für alle kosmologisch denkenden Astronomen und für alle astronomisch gebildeten Philosophen, vor allem in der islamischen Welt.

„Für die Kosmologiegeschichte zwischen Ptolemäus und Kopernikus, für die antike Ptolemäus‐Forschung und für das Verständnis des ptolemäischen Weltbildes und seiner mehr als tausendjährigen Geschichte ist diese Arbeit ein Meilenstein“, so die BAdW.

Der Akademiepreis der Karl Thiemig‐Stiftung für Nachwuchsförderung, mit dem Hullmeine nun geehrt wird, dient der Förderung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Akademie und ist mit 3.000 Euro dotiert. Er wird aus Mitteln der Karl Thiemig-Stiftung zur Förderung von Kunst und Wissenschaft in Bayern finanziert.

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