Etwa 2-3 Prozent der Bevölkerung leiden an psychotischen Erkrankungen, die einen schweren Einschnitt im Lebensverlauf von Betroffenen und ihren Angehörigen bedeuten. Psychotische Erkrankungen haben meist einen rezidivierenden Verlauf, bei dem akute Krisen auftreten können. Dabei kann es zu Situationen kommen, in denen eine psychiatrische Behandlung zwar notwendig erscheint, aber Betroffene jegliche Form der Behandlung ablehnen. Eine Ursache für eine solche Ablehnung kann fehlende Krankheitseinsicht (das fehlende Wissen darüber bzw. die fehlende Überzeugung, eine Krankheit zu haben) sein.
Psychiatrische Maßnahmen gegen den Willen eines Menschen sind mit Eingriffen in seine Grundrechte verbunden und erfordern eine besondere Rechtfertigung. Eine Unterbringung gegen den Willen der betroffenen Person ist rechtlich nur möglich, wenn die betroffene Person auf Grund einer psychischen Erkrankung sich selbst, Rechtsgüter anderer oder das Allgemeinwohl erheblich gefährdet und ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist. Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen der betroffenen Person sind nur unter eng begrenzten Bedingungen zulässig. Ob eine Zwangsbehandlung erfolgen soll, ist eine komplexe ethische Entscheidung, an der Betroffene, Angehörige, Betreuer:innen, Psychiater:innen und Jurist:innen in unterschiedlichem Maße beteiligt sein können.
Wie aktuell mit diesen Entscheidungen umgegangen wird, hat auf den Alltag von Menschen mit psychotischen Erkrankungen und ihre Familien gravierende Auswirkungen, die in diesem Symposium näher beleuchtet werden sollen. Wie sieht der Krankheitsverlauf bei den betroffenen Menschen aus? Welche Perspektiven haben Angehörige und Betroffene in Bezug auf den Umgang mit psychotischen Krankheitsphasen? Welche ethischen Normen und Werte sind in der Behandlungsentscheidung für psychisch kranke Patienten maßgeblich? Wie ist die aktuelle rechtliche Regelung in Deutschland zur Zwangsbehandlung und wie wird sie von Juristen und Klinikern bewertet? Welche Lösungsvorschläge gibt es, um mit aktuellen Problemen besser umzugehen?
In diesem interdisziplinären Symposium für die interessierte Öffentlichkeit, werden Problemlagen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und verschiedene denkbare Lösungsansätze diskutiert.
Vorläufiges Programm
- 10:00 – 10:15 Uhr Begrüßung durch die Veranstalter
- 1. Problemaufriss: Moderation: Prof. Dr. Josef Bäuml / Karl Heinz Möhrmann
10:15 – 10:30 Uhr Fallbeschreibung
„Mein Bruder, im Wahn unerreichbar“
Sarah Bioly, München
10:30 – 11:00 Uhr Affektive und nicht affektive Psychosen: Krankheitsbilder und Verläufe
Priv. Doz. Dr. Florian Seemüller, Garmisch-Partenkirchen
11.00 – 11:15 Uhr Perspektive der Betroffenen
Martina Heland-Gräf, BayPE e.V.
11:15 – 11:30 Uhr Perspektive der Angehörigen
Barbara Schmitt, ApK Bayern e.V.
- 2. Medizinethische und rechtliche Einordnung: Moderation: Dr. Katja Kühlmeyer/ Prof. Dr. Oliver Pogarell
11:30 – 12:00 Uhr Ethische Voraussetzungen von akut-psychiatrischen Behandlungsentscheidungen
Prof. Dr. Georg Marckmann, München
12:00 – 12:30 Uhr Rechtliche Rahmenbedingungen für psychiatrische Behandlungsentscheidungen
Dr. Dorothea Gaudernack, München
12:30 – 13:30 Uhr Mittagspause
- 3. Auswirkungen der rechtlichen Rahmenbedingungen auf die akutpsychiatrische Behandlung: Moderation: Prof. Dr. Josef Bäuml / Karl Heinz Möhrmann
13:30 – 14:00 Uhr Recht auf Krankheit? Konsequenzen, Grenzen und Missverständnisse
Prof. Dr. Tilmann Steinert, Ravensburg
- 4. Aktuelle Vorschläge zum Umgang mit der Problematik: Moderation: Dr. Katja Kühlmeyer/ Prof. Dr. Pogarell
14:00 – 14:20 Uhr Quadratur des Kreises: Die Suche nach einer Problemlösung
Prof. Dr. Josef Bäuml, München
14:20 – 14:40 Uhr Entscheidungsassistenz bei schizophrenen Erkrankungen
Prof. Dr. Johannes Hamann, München
14:40 – 15:00 Uhr Vorausplanung von psychiatrischen Behandlungsentscheidungen
Dr. Raoul Borbé, Ravensburg
15:00 – 15:45 Uhr Podiumsdiskussion mit Einbezug des Publikums
15:45 – 16:00 Uhr Ausblick und Abschluss