Gleich nach ihrer Ankunft in Deutschland bewarb sich die LMU-Studentin Jiawen Wang ehrenamtlich als Schulbegleiterin. Seitdem hilft sie einem jungen Mädchen im Rollstuhl während des Schulalltags. Doch schnell merkte die Chinesin, wie teuer in München alles ist. Zum Glück wurde sie auf das Deutschlandstipendium aufmerksam. Ohne das hätte sie sich nicht weiter sozial engagieren können. Jetzt hat sie mehr Zeit für die Informatik- und Computerlinguistik-Forschung – und Deutschland eine der wenigen Informatikerinnen mehr.
Anderen Menschen helfen – auch fernab der Heimat
Für andere Menschen einzustehen, ist für Jiawen Wang eine Herzensangelegenheit. „Ich fühle mich glücklich, wenn ich anderen helfen kann“, sagt Jiawen. Das war für sie schon in ihrem Heimatland China wichtig, beispielsweise als Dolmetscherin bei wissenschaftlichen Konferenzen. Daher war es für sie eine Selbstverständlichkeit, sich auch während ihres Informatikstudiums an der LMU zu engagieren. Obwohl für sie in München zu Beginn noch vieles fremd war, suchten sie und ihre beste Freundin kurz nach ihrer Ankunft nach sozialen Projekten – und wurden an einem städtischen Gymnasium fündig. Seit 2021 assistiert Jiawen dort zwischen einem und vier Tagen pro Woche von 8 bis 16 Uhr als Schulbegleiterin für ein junges Mädchen im Rollstuhl.
„Ich bin immer dabei, wenn die Schülerin etwas braucht“, erzählt Jiawen. Morgens holt sie das Mädchen von Eltern ab, begleitet es in die Schule, schiebt den Rollstuhl von Klassenzimmer zu Klassenzimmer und hilft ihr in den Pausen bei Bedarf aus dem Rollstuhl. Die 26-Jährige tut einfach alles, damit sie den Schulalltag meistern kann. Am Nachmittag fährt das Mädchen dann wieder zu ihren Eltern und Jiawen besucht ihre Vorlesungen. Die LMU-Studentin ist beeindruckt davon, wie gut die Hilfe für Menschen im Rollstuhl in Deutschland organisiert ist. „In China ist das leider nicht oft so.“ Das bekam sie selbst zu spüren, als sie sich in jungen Jahren den Fuß verletzte und nicht laufen konnte.
Die Corona-Pandemie hat ihr Leben verändert
Dabei ist für Jiawen selbst das Leben in ihrer neuen Heimat alles andere als einfach. Ihr Studium an der LMU begann sie zu Beginn der Corona-Pandemie. „Der Anfang war sehr schwierig und kompliziert“, erinnert sie sich. An ihrer chinesischen Universität habe es viele Freizeitaktivitäten gegeben, beispielsweise Designen oder Tanzen. Wegen der Ausgangssperre musste sie aber jeden Tag allein in ihrer Wohnung vor dem Computer sitzen und konnte Kurse nur online besuchen. Trotzdem war sie sehr froh, in München zu sein: „Hier zu studieren, war immer mein Traum.“ Sie genießt die Atmosphäre, die Kunst und Kultur. „Und gibt es nicht so viele Menschen wie in China“, sagt sie und lacht.
Ohne das Deutschlandstipendium könnte Jiawen nicht so ausgelassen sein. Denn in China galten während der Pandemie deutlich strengere Beschränkungen als bei uns. Ihre Eltern durften zeitweise nicht arbeiten und konnten sie entsprechend finanziell nicht stark unterstützen. „Durch das Stipendium und meinen Job als Werkstudentin bin ich aber total unabhängig geworden“, erklärt sie. Das habe sie psychisch sehr entlastet. „Es bedeutet mir sehr viel, meine Zukunft jetzt selbst beherrschen zu können.“ Nur ein Wermutstropfen bleibt: Durch die langjährige Zero-Covid-Strategie des Landes und die mangelnde Zeit durch ihr Doppelstudium, hat sie ihre Eltern in China seit vier Jahren nicht mehr gesehen.
WeCare@LMU unterstützt bei Problemen oder Krisensituationen.
Informatikerinnen sind in Deutschland noch immer rar
Gut, dass Jiawen jetzt weiter gleichzeitig Bachelor und Master studiert. Denn Informatikerinnen sind in Deutschland noch immer rar – auch in den Hörsälen. Aktuell ist nur jeder vierte Studierende in diesem Fach weiblich. Die 26-Jährige wundert das. „In Asien ist das ganz anders.“ Entsprechendwürden viele ihre Kolleginnen aus Thailand, Südkorea und China stammen. Jiawen merkte schon früh, dass sie ein Talent für Informatik hat. Nach dem Gymnasium absolvierte sie zwar zuerst einen Bachelor in Werbung, Design- und Finanzwesen, für das sie eine Auszeichnung und viele hochkarätige Preise bekam. Aber jetzt kombiniert sie in ihrem Master einfach beides – dank LMU und Supervision. Das ist ein Feld innerhalb der künstlichen Intelligenz (KI), in dem aus digitalen Bildern, Videos und anderen visuellen Eingaben neue Erkenntnisse gewonnen werden.
Neben der finanziellen Unterstützung erhält Jiawen von ihrem Förderer auch ideelle Unterstützung – beispielsweise durch das Amazon-Future-Engineer-Programm. Jeder Studierende bekommt dabei eine Mentorin oder einen Mentor zugeteilt, der bei beruflichen Fragen hilft. Wo sie die Zukunft hinführt, kann die 26-Jährige noch nicht sagen. Nach ihrer Bachelorarbeit zum Thema maschinelles Lernen und KI würde sie gerne wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Forschungsdoktorandin werden. Dann wäre sie die nächsten fünf bis zehn Jahre weiterhin in Deutschland. Endgültig entschieden ist aber noch nichts. Jetzt will sie erst mal ihren Bachelor und Master abschließen – und natürlich weiterhin anderen Menschen helfen.
Fördern Sie mit dem Deutschlandstipendium
Das Deutschlandstipendium an der LMU lebt von der Unterstützung von Unternehmen, Stiftungen oder Privatpersonen. Ihre steuerlich absetzbare Spende in Höhe von 150 Euro pro Monat wird von der Bundesregierung verdoppelt und kommt ohne Abzüge bei den Stipendiatinnen und Stipendiaten an. So können sich junge Menschen auch in Krisenzeiten wie diese ohne Geldsorgen um die Zukunftsfragen unserer Gesellschaft kümmern.