Meilensteine der Gleichstellung

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Meilensteine der Gleichstellung

verfasst anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Amtes der Frauenbeauftragten an bayerischen Hochschulen

Frauenstudium (in Bayern)In „Die wissenschaftlich Emancipation der Frau“ schreibt die Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Hedwig Dohm 1874 über die Zulassung der Frauen zum Studium:

„In Bezug auf das Studieren der Frauen werde ich mir und meinen Lesern zur Beantwortung folgende drei Fragen vorlegen: Ob Frauen studieren dürfen? Ob Frauen studieren können (im Sinne ihrer Befähigung)? Ob Frauen studieren wollen? Mir persönlich scheinen diese Untersuchungen ebenso müßig, als wollte Jemand fragen: darf der Mensch seine Kräfte entwickeln? u.s.w. Da aber vorläufig die Majorität meiner deutschen Zeitgenossen das Recht der Frau an wissenschaftlichem Beruf leugnet, so dürfen wir kleine Minorität nicht müde werden, für unsere Ueberzeugungen zu kämpfen, wenn es auch absolute Gewißheit für ist, daß dasjenige, was heut sonderbar und paradox erscheint, in Kurzem für eine der trivialen Wahrheiten gelten wird.“

Sie sollte Recht behalten: heute, mehr als 150 Jahr später, spricht niemand mehr vom „Frauenstudium“; das Studium für alle, unabhängig von Geschlecht ist zur „trivialen Wahrheit“ geworden. Doch wie jeder Weg im Kampf um Frauenrechte und Gleichberechtigung war auch dieser ein weiter.

Es war der Prinzregent des Königreichs Bayern, Luitpold, der am 21. September 1903 auch Frauen zur Immatrikulation an den bayerischen Universitäten zuließ – zuvor war es ihnen nur gestattet, als Hörerinnen an der akademischen Bildung teilzuhaben. Damit folgte er dem Beispiel der meisten europäischen Staaten sowie dem des Landes Baden. Innerhalb weniger Jahre öffneten auch Württemberg, Sachsen, Thüringen, Hessen, Preußen und Mecklenburg nach ihre Universitäten für Frauen.

Dennoch: Zwar sind Frauen als Studierende keine Minorität mehr, angesichts der Zahlen und Fakten hinsichtlich der Positionen in Wissenschaft und Lehre aber gilt heute wie im Erscheinungsjahr von Hedwig Dohms Essay: „nicht müde werden“ – denn der Professorinnenanteil in Bayern liegt bei nur 19,8 Prozent (Stand: 12/2017) und auch bundesweit ist es noch ein weiter Weg zur universitären Gleichberechtigung.

Quellen:
Hadumod Bussmann, Hg., Stieftöchter der Alma mater. 90 Jahre Frauenstudium am Bayern am Beispiel der Universität München, München 1994.
Kraft, Sibylle. 1993. Frauenleben in Bayern. 1. Auflage. München: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit

Im November 1918 trat in Deutschland das Reichswahlgesetz mit dem allgemeinen aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen in Kraft. Somit konnten Frauen in Deutschland im Januar 1919 erstmalig wählen und gewählt werden.

Obwohl das Recht zu wählen heute selbstverständlich erscheint, war es bis dahin ein weiter Weg. Bereits seit 1900 kämpften Frauen vorwiegend aus sozialdemokratischer und sozialistischer Richtung für die Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland. Viele gesellschaftliche Vorurteile, die u.a. dazu führten, dass Frauen eine öffentliche Rolle in der Politik nicht zugetraut wurde, mußten überwunden und weitere Rechte gesetzlich verankert werden.

"Wir Frauen können nur unserer hohen Freude und Befriedigung darüber Ausdruck geben, dass wir zu dieser Aufgabe mitberufen sind, und ich glaube, sagen zu dürfen, dass wir besser für sie vorbereitet sind, als vielleicht die meisten von Ihnen glauben."
(Marianne Weber [DDP] am 15. Januar 1919 im Karlsruher Ständehaus zu den männlichen Kollegen)
Quelle: Landeszentrale für politische Bildung Baden Württemberg

"Ich möchte hier feststellen ..., dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist."
(Sozialdemokratin Marie Juchazcz am 19. Februar 1919 in der Weimarer Nationalversammlung)
Quelle: Landeszentrale für politische Bildung Baden Württemberg

Auch heute, nach 100 Jahren Frauenwahlrecht, liegt der Frauenanteil im Deutschen Bundestag noch deutlich hinter dem Anteil der männlichen Vertreter. Im aktuellen Deutschen Bundestag fiel nach der letzten Wahl der Frauenanteil bei den Mitgliedern um sechs Prozentpunkte auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren, nämlich auf 30,7 %.
Zum Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht gibt es eine aktuelle Jubiläumskampagne mit vielen Veranstaltungen. dazu gehört auch die Sonderausstellung "Damenwahl! 1918/19 Frauen in die Politik" in Frankfurt am Main. Weitere Informationen unter
www.100-jahre-frauenwahlrecht.de.

1918 Adele Hartmann - die erste Habilitation einer Frau

Die Ärztin Dr. Adele Hartmann war die erste Frau, die sich in Deutschland habilitierte. Noch bevor die Weimarer Verfassung dahingehend geändert wurde, dass auch Frauen habilitieren dürfen, begann Adele Hartmann mit der Arbeit an ihrer Habilitationsschrift zur "Entstehung der ersten Gefäßbahnen bei Embryonen urodeler Amphibien bis zur Rückbildung des Dotterkreislaufes". Diese reichte sie im Jahr 1918 an der medizinischen Fakultät der LMU München ein und erhielt daraufhin als erste Frau in Deutschland die Lehrbefähigung für Hochschulen. Sowohl ihre Habilitationsschrift als auch ihre Antrittsvorlesung "Ueber die bisherigen Erklärungsversuche der Zellteilung" wurden als ausgezeichnet beurteilt. 1919 wurde Adele Hartmann zur Privatdozentin ernannt, lehrte an der LMU und forschte auf dem Gebiet der Nierenentwicklung und der Wirkung von Röntgenstrahlung. Die Stadt München benannte 2002 eine Straße nach ihr.

GleichberechtigungsgesetzSeit Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 ist die Gleichberechtigung von Männern und Frauen als Grundrecht verfassungsmäßig verankert. In Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 heißt es: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt."

Um diese verfassungsgemäße Gleichberechtigung der Geschlechter auf Bundesebene auch in die Praxis umzusetzen, trat am 1. Juli 1958 das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts(Gleichberechtigungsgesetz) in Kraft.

Ziel des Gleichberechtigungsgesetzes war es, das patriarchale Ehe- und Familienverständnis zu überwinden, welches sich auf die Vorkriegsregulierungen des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896 stützte. Ehemänner sollten nicht länger als Familienoberhäupter die letzte Entscheidungsautorität innehaben, und Ehefrauen sollten zusätzlich zu ihren "Haushaltspflichten" und der Versorgung von Ehemann und Kindern auch die Möglichkeit bekommen, berufstätig zu sein auch ohne die Einwilligung ihres Mannes.

Die sogenannte Zugewinngemeinschaft sollte eine Regelung dafür sein, dass die in der Ehe gemeinschaftlich erwirtschafteten Güter zu gleichen Teilen unter den Eheleuten aufgeteilt werden. Auch das in die Ehe mitgebrachte Vermögen der Frau wurde nicht mehr automatisch dem Mann übergeben.

Das Gleichberechtigungsgesetz stellt, gemeinsam mit den in den nächsten Jahren erlassenen Gesetzen, Familienrechtsänderungsgesetz (1961), erweitertes Mutterschutzgesetz (1968), Rentenreformgesetz mit den Schwerpunkten Öffnung der Rentenversicherung für Hausfrauen, Einführung einer flexiblen Altersgrenze (1972/73), einen ersten bedeutenden Schritt zur Gleichberechtigung in der Nachkriegsgesellschaft dar.

Eine vollständige Emanzipation der Frau konnte indes durch diese Gesetze nicht umgesetzt werden. Dies zeigte sich beispielsweise in weiterhin bestehenden Vorrechten des Mannes, unter anderem dem Letztentscheid in Fragen der Erziehung. Das väterliche Letztentscheidungsrecht zum Beispiel wurde erst 1980 aufgehoben.

Um die Gleichberechtigung voranzutreiben wurde 1994 Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ergänzt durch den Satz: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Quelle: Bundestag Textarchiv

Die zweite FrauenbewegungVor 50 Jahren, am 13. September 1968, startete ein Tomatenwurf in Richtung des männlichen Vorstands des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes auf dem Delegiertenkongress die zweite Welle der Frauenbewegung in Deutschland. Motiviert durch die mediale Aufmerksamkeit schlossen sich in den folgenden Jahren besonders in Universitätsstädten viele Frauen zusammen. Neben dem Bestreben gegen strukturelle Diskriminierungen vorzugehen, bestand das übergeordnete Ziel dieser neuen Frauenbewegung darin, bestehende Ungleichheit sowohl im studentischen als auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext sichtbar zu machen und zu verändern.

Beeinflusst wurde die Bewegung durch die Forderungen vor allem von französischen Vorreiterinnen. Das Zitat "Man wird nicht zur Frau geboren. Man wird zur Frau gemacht" aus Simone de Beauvoirs theoretischer Auseinandersetzung mit Gesellschaft und Patriarchat repräsentiert den theoretischen Ausgangspunkt der Bewegung.

Im Zusammenhang mit einem im STERN erschienenen Artikel, bei dem sich 374 Frauen zu ihrer Abtreibung öffentlich bekannten, wurden die Slogans "Mein Bauch gehört mir“ und "Ich habe abgetrieben“ zu den zentralen Kampfansagen der Bewegung. Diese richteten sich gegen den damals bestehenden Abtreibungsparagraphen 218 StGB, dessen ersatzlose Streichung die Aktivistinnen forderten.

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Am 1. Oktober 1988 trat das Bayerische Hochschulgesetz in Kraft. Mit Art. 34 wurde das Amt der Frauenbeauftragten an bayerischen Hochschulen auf Fakultäts- wie auf Hochschulebene eingerichtet.

Art. 34 BayHSchG 1988

Frauenbeauftragte


(1) 1 Frauenbeauftragte wirken auf die Herstellung der verfassungsrechtlich gebotenen Chancengleichheit und auf die Vermeidung von Nachteilen für Wissenschaftlerinnen, weibliche Lehrpersonen und Studentinnen hin. 2 Sie werden für die Hochschule vom Senat, für den Fachbereich vom Fachbereichsrat aus dem Kreis der an der Hochschule hauptberuflich tätigen Lehrpersonen gewählt. 3 Frauenbeauftragte haben das Recht, an den Sitzungen der Kollegialorgane und der Berufungsausschüsse mit beratender Stimme teilzunehmen.
Quelle: BayHSchG 1988: Bayerisches Gesetz und Verordnungsblatt Nr. 28/1988

Im Vergleich dazu ist nach dem geltenden Hochschulgesetz von 2006 in der aktuellen Fassung Gleichstellung Aufgabe der Hochschulen.

Art. 4 BayHSchG 2006

Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Frauenbeauftragte

(1) 1 Die Hochschulen fördern bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und berücksichtigen diese als Leitprinzip; sie wirken auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. 2 Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern werden Frauen unter Beachtung des Vorrangs von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes) gefördert. 3 Ziel der Förderung ist eine Steigerung des Anteils der Frauen auf allen Ebenen der Wissenschaft.
(2) 1 Frauenbeauftragte achten auf die Vermeidung von Nachteilen für Wissenschaftlerinnen, weibliche Lehrpersonen und Studierende; sie unterstützen die Hochschule in der Wahrnehmung ihrer Aufgabe nach Abs. 1. 2 Frauenbeauftragte werden für die Hochschule vom Senat, für die Fakultät vom Fakultätsrat aus dem Kreis des an der Hochschule hauptberuflich tätigen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals gewählt. 3 Für die Hochschule gewählte Frauenbeauftragte gehören der Erweiterten Hochschulleitung und dem Senat, für die Fakultäten gewählte Frauenbeauftragte dem Fakultätsrat und den Berufungsausschüssen (Art. 18 Abs. 4 Satz 2 BayHSchPG) als stimmberechtigte Mitglieder an. [...]
Quelle: BayHSchG 2006, BayernRecht

Frauenbeauftragte an der LMU

Am 17. November 1988 wurde Professorin Dr. Renate von Heyedebrand durch den Senat zu ersten Frauenbeauftragten der LMU gewählt. Zugleich wurden im Wintersemester 1988/89 die Wahlen der ersten Fakultätsfrauenbeauftragten in den Fachbereichen durchgeführt. Am 12.12.1988 fand die erste Sitzung der Konferenz der Frauenbeauftragten an der LMU statt, die seitdem regelmäßig tagt.

Mit der Grundordnung der LMU vom 10.11.1989 wurden die Aufgaben und die Amtszeit der Frauenbeauftragten erstmals näher umschrieben und eine Wahlordnung festgelegt (§19).

Ein Jahr nach der gesetzlichen Einführung des Amtes der Frauenbeauftragten hat sich die Landeskonferenz der Frauenbeauftragten an Bayerischen Hochschulen (LaKoF) konstituiert. Die erste Tagung der Landeskonferenz fand vom 8. bis 10. Dezember 1989 statt.

Welche Fortschritte die Frauenbeauftragten in den ersten 20 Jahren seit Bestehen des Amtes an der LMU und bayernweit erreicht haben, ist in der Broschüre 20 Jahre Frauenbeauftragte (LMU) und in der Chronik der LaKoF nachzulesen. Außerdem zeigt die Ausstellung Forschen, Lehren, Aufbegehren. 100 Jahre akademische Bildung von Frauen in Bayern wie Frauen in die Männerwelt der Universität einzogen. Die Ausstellung von 2003 entstand im Auftrag der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen.

Folgende Wissenschaftlerinnen übten bzw. üben das Amt der Universitätsfrauenbeauftragten seit 1988 an der LMU aus:

  • Prof. Dr. Renate von Heydebrand (1988 bis 1990)
  • Dr. Hadumod Bußmann (1990 bis 1997)
  • Dr. Edda Ziegler (1997 bis 2000)
  • Prof. Dr. Ulla Mitzdorf (2000 bis 2006)
  • Dr. Margit Weber (seit 2006)

Die Universtätsfrauenbeauftragte hat jeweils Stellvertreterinnen aus verschiedenen Fachdisziplinen.

In den letzten hundert Jahren wurde viel erreicht. Dennoch bleibt noch viel zu tun, auch an der LMU:

  • Noch immer sind zwar über die Hälfte der Studierenden weiblich, aber nur 20% der Professuren in Bayern sind mit Professorinnen besetzt.
  • Noch immer gibt es in den Führungsgremien, in Präsidium, Hochschulrat und Senat vieler Universitäten nur wenige Frauen.
  • Noch immer werden Dekanate seltener von Frauen geleitet.
  • Noch immer sind in Deutschland nur knapp 23% aller Professuren mit Frauen besetzt.
  • Noch immer beträgt der Professorinnenanteil bei den Lehrstuhlen nur 18%.

    ... Und das, obwohl die Frauenanteile deutschlandweit bei der Erstimmatrikulation und den Studienabschlüssen seit fast 20 Jahren über 50% und bei den Promotionen über 44% betragen.

Deshalb nimmt die Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen das 30-jährige Bestehen des Amtes zum Anlass, mit einer Plakat- und Postkartenaktion auf diesen Gender Bias und die noch möglichen Potentiale bezüglich Chancengleichheit und Frauen in der Wissenschaft hinzuweisen.

© Universitätsfrauenbeauftragte