Wir trauern um Prof. Dr. Rolf Oerter
24.05.2024
24.05.2024
Am 24.05.2024 ist unser hoch geschätzter, renommierter Kollege Prof. Dr. Rolf Oerter kurz vor seinem 93. Geburtstag verstorben. Mit seinen Lehrbüchern und seiner Forschung zur Entwicklungspsychologie hat er das Fach in Deutschland entscheidend geprägt und in viele Praxisbereiche hineingewirkt, nicht zuletzt in die Schule. Seine Arbeit wurde 2003 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Rolf Oerter war auch international hoch anerkannt. Als langjähriges Mitglied der International Society for the Study of Behavioral Development (ISSBD) von deren ersten Anfängen an wurde er 2013 mit dem ISSBD life-time award ausgezeichnet.
Rolf Oerter began seine Laufbahn als Grundschullehrer (1952 to 1955), nahm jedoch nach wenigen Jahren das Psychologie-Studium an der Universität Würzburg auf, wo er sein Studium mit dem Diplom abschloss (1960), anschließend promovierte (1963) und schließlich habilitierte (1969). Zwölf Jahre lang (1969-1981) bekleidete er eine Professur an der Universität Augsburg, bevor er an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München den Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie übernahm und 18 Jahre lang (1981-1999) das Fach weit über die LMU hinaus prägte. In den Jahren 1989 bis 1991 lenkte er umsichtig und in bester Kooperation mit allen Lehrstühlen als Dekan die Geschicke der Fakultät für Psychologie und Pädagogik der LMU.
Sein Lehrbuch der Entwicklungspsychologie gehörte über Jahrzehnte hinweg zum Kanon des Psychologiestudiums wie auch der Lehramtsausbildung. Schon seine ursprüngliche Monographie über "moderne Entwicklungspsychologie" gab mit über 600 Seiten intensiven Einblick in die Theorienbildung und internationale Forschung. Sie hatte in der 17. Auflage mehr als 150.000 Druckexemplare. Sie wurde später abgelöst von dem bekannten Lehrbuch "Oerter & Montada", einem Sammelband mit zuletzt über 1.200 Seiten, das in sechs jeweils grundlegend überarbeiteten Auflagen erschien und später von Wolfgang Schneider und Ulman Lindenberger fortgeführt wurde. Auch den Weg für die klinische Entwicklungspsychologie in Deutschland hat Rolf Oerter gemeinsam mit Kolleg:innen durch ein erstes Herausgeberwerk geebnet.
Die eigene Forschung von Rolf Oerter trug insbesondere zum psychologischen Verständnis der Rolle des Spiels in der kindlichen Entwicklung, aber auch zur Adoleszenzforschung bei. So lieferte sein Team an der LMU mit Eva und Michael Dreher eine konzeptionelle und empirische Aktualisierung von Robert Havighursts Konzept der Entwicklungsaufgaben und trug damit zum Aufschwung dieses Konzepts in der entwicklungspsychologischen und pädagogischen Forschung in Deutschland bei. Ihre Arbeit wird auch heute noch in aktuellen Publikationen zitiert. Nicht zuletzt interessierte sich Rolf Oerter besonders dafür, wie die Kultur die individuelle Entwicklung prägt.
Rolf war ein wunderbarer Kollege, ein liebenswürdiger und freundlicher Philanthrop, der trotz seiner Berühmtheit bescheiden blieb. Er war ein aufgeschlossener Wissenschaftler, der gerne nach neuen Themen und Herausforderungen Ausschau hielt, und es war eine Freude, mit ihm über alle anstehenden Fragen zu diskutieren. Als engagierter Wissenschaftler und Lehrer blieb er auch nach seiner Emeritierung an der LMU tätig, hielt Vorlesungen, betreute Promovierende und war Mitglied in zahlreichen Beiräten. Wir sind dankbar für seinen Beitrag zur Developmental Science und werden ihn vermissen!