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Data Science: Forschen an der Schnittstelle verschiedener Disziplinen

19.08.2021

Neuberufen an der LMU: Die Sozialwissenschaftlerin Frauke Kreuter analysiert die Qualität von Daten - vom Algorithmus bis zum Survey.

Porträt von Prof. Frauke Kreuter, Inhaberin des Lehrstuhls für Statistik und Data Science in den Sozial- und Humanwissenschaften und Co-Direktorin der Data Science Center an der University of Maryland und der Universität Mannheim und Referentin der KI Lectures

Expertise in Statistik, Sozialwissenschaften und digitalen Medien: Frauke Kreuter. | © LMU

Für die politische Willensbildung ist die Digitalisierung, sind die sozialen Medien Segen und Fluch zugleich. Sie ermöglichen die schnellere Vernetzung von Interessengruppen, sie erleichtern den Austausch, dienen Bewegungen wie etwa „Fridays for future“ als Koordinationsplattform und können auch für leisere Stimmen eine Chance sein, sich Gehör zu verschaffen. Auf der anderen Seite haben sie Potenzial, diskriminierend und destabilisierend zu wirken sowie antidemokratischen Kräften Vorschub zu leisten: Der Sturm auf das Capitol in Washington am 6. Januar dieses Jahres ist nur ein Beispiel für die Möglichkeit einer gegen die Demokratie gerichteten Mobilmachung über das Netz.

Hinter allen digitalen Abläufen stehen Daten, massenhaft Daten. Sie sind unter anderem Basis von Algorithmen, die etwa dafür sorgen, welche Inhalte und Angebote man bevorzugt angezeigt bekommt, wenn man digital unterwegs ist.

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Professorin Frauke Kreuter interessieren diese Daten ganz besonders. Sie hat seit 2020 den Lehrstuhl für Statistik und Data Science in Sozial- und Geisteswissenschaften am Institut für Statistik an der LMU inne. „Wir untersuchen Daten, wobei wir insbesondere deren Qualität im Fokus haben“, so Kreuter. Sie und ihr Team analysieren etwa, woher Daten stammen, von welchen Gruppen man sie für einen bestimmten Zweck benötigt, wie fehlerhaft sie sind, aber auch, welche Daten fehlen und wie man sie auch später noch nutzen kann.

Das Problem: Der Zugang zu ihnen ist für die Forschung nicht immer leicht. „Um wirklich zu untersuchen und herauszufinden, was in den digitalen Medien passiert, stehen derzeit oft nicht die richtigen Daten zu Verfügung“, sagt Frauke Kreuter. So habe es im Bereich Social Media zum Beispiel schon viele Versuche gegeben, zu analysieren, wie groß die Einflussnahme von Trollen oder anderen Regierungen auf die Meinungsbildung während Wahlkämpfen war. Kreuter: „Es gibt empirische Studien, die zeigen: Ja, es hat der Versuch stattgefunden, Einfluss zu nehmen. Aber wenn es darum geht, zu messen, welche Effekte das genau hat, bleibt ein Fragezeichen.“ Sie fordert daher eine noch größere Bereitschaft großer Tech-Konzerne wie Facebook oder Google, den Datenzugang zu Forschungszwecken zu erleichtern.

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Frauke Kreuter untersucht in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis von Algorithmen und Fairness. Letztere werden schließlich mit bestehenden Daten trainiert und können daher auch überkommene Stereotype oder Klischees länger reproduzieren, als dies gesellschaftlich opportun ist. „Ich erläutere das gerne mit dem Beispiel einer Bildsuche in Google. Bei der Eingabe von ‚University Professor‘ wurden vor ein paar Jahren nur weiße männliche Professoren angezeigt. Dann haben die Suchmaschinenbetreiber offenbar den Aspekt der Diversity stärker zum Thema gemacht, sodass dann auch afroamerikanische Professoren zu sehen waren. Und inzwischen hat Google den Algorithmus so verändert, dass nicht nur Bilder angezeigt werden, die am häufigsten auftauchen, sondern fast paritätisch auch Frauen gezeigt werden.“

Das zeige, so Kreuter, wie schwierig es ist sich ein korrektes Bild der Gesellschaft zu machen, wenn man sich lediglich auf digitale Datenspuren verläßt. Der Algorithmus zuvor sei ja nicht unbedingt falsch gewesen, denn es gibt zumindest in Deutschland immer noch mehr Professoren als Professorinnen.

Die Berufung von Frauke Kreuter an die LMU wird jedenfalls dazu beitragen, dieses Missverhältnis weiter abzuschwächen. Sie hat Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim studiert. Direkt nach ihrer Promotion im Jahr 2001 in Konstanz ging sie als Postdoc in die USA, wo sie zunächst an der University of California Los Angeles forschte. Anschließend wechselte Kreuter in das Joint Program in Survey Methodology und das Maryland Population Research Center der University of Maryland in College Park.

Interdisziplinäre Expertise bündeln

„Ursprünglich hatte ich vor, maximal für ein halbes Jahr in die USA zu gehen. Aber es hat mir so gut gefallen, dass ich geblieben bin“, erzählt sie. Vor allem die flachen Hierarchien dort und die Möglichkeit der Mitsprache in vielen Gremien hätten sie begeistert. So wurden aus den geplanten sechs Monaten insgesamt zwölf Jahre, ein Zeitraum, in den auch ihr erster Kontakt mit der LMU fiel, obwohl es für sie selbst zunächst nur ein Kontakt „mit einem Fuß in der Universität“ war: Kreuter nahm am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, kurz IAB, in Nürnberg eine Forschungstätigkeit auf. Diese war mit einer Professor an der LMU verbunden, wobei sich ihre Lehrverpflichtung auf eine Veranstaltung pro Semester beschränkte.

Im Zentrum ihrer Arbeit am IAB stand der Ausbau des Kompetenzzentrums Empirische Methoden, eine Einheit die Forscher:innen am IAB bei der Datenerhebung und Datenauswertung berät und unterstützt, und Forschung zu Erschließung neuer Datenquellen für die Erfassung von Arbeitslosigkeit und Berufstätigkeit vorantreibt. Auch hierbei war die Datenqualität ein wichtiges Thema. „Es ging etwa darum, wie man Erhebungen aufsetzen muss, um eine gute Datengrundlage zu erhalten, um die Regierung fundiert beraten zu können“, erinnert sich Frauke Kreuter.

Neben ihrer Forschungsarbeit in München blieb sie weiterhin in Maryland tätig und ließ sich wechselseitig beurlauben, um beides unter einen Hut zu bekommen. „Ich hatte schon Zoomsitzungen, da war das hier in Deutschland noch kein Thema“, lacht sie. Für sie waren beide Tätigkeiten eine gute Möglichkeit, „Brücken zu schlagen“, und den wissenschaftlichen Austausch voranzutreiben – etwas, das sie sich auch künftig für ihre Arbeit an der LMU vorgenommen hat. Nach ihrer Zeit in München wurde sie auf eine Professur an ihre Alma Mater in Mannheim berufen, von wo aus sie den Stellensplit mit Maryland und dem IAB weiter führte und in Partnerschaft beider Universitäten, mit Unterstützung des BMBF, den ersten vollständig online durchgeführten Masterstudiengang in Survey- und Data Science aufbaute. Nach einem Jahr in Kalifornien mit Forschungsaufenthalten bei Facebook, in Stanford und der UC Berkeley wechselte sie im vergangenen Jahr schließlich an die LMU.

Frauke Kreuter sieht ihre Forschung an der Schnittstelle von Statistik, Informatik und den Sozialwissenschaften: „Ich habe sowohl in Maryland als auch in Mannheim Data Science Center etabliert, die die Expertise aller relevanten Fächer bündelt“, sagt sie und hat sich das auch für ihre Arbeit in München vorgenommen. „Die ersten Gespräche waren sehr vielversprechend!“, freut sie sich.

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