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Einmal Kunstgeschichte to go

25.09.2023

Die interaktive MunichArtToGo-App vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte lädt zum Lernen über München ein. Professor Christian Fuhrmeister und LMU-Studierende haben die App maßgeblich mitgestaltet.

Die Kunstgeschichte-Studentinnen Antonia Bartl (links) und Eva Blüml schreiben beide Artikel für die MunichArtToGo-App.

Auf den Treppen, die vom Lichthof hinauf in den ersten Stock führen, liegt Schutt, der Sockel des Speerträgers ist verwaist und ein Teil der Fassade des Hauptgebäudes fehlt.

„Wenn man heute durch die Gänge läuft, ist es kaum vorstellbar, dass das hier mal so ausgesehen hat“, sagt Eva Blüml, während sie gemeinsam mit Kommilitonin Antonia Bartl auf dem Bildschirm ihres Handys alte Fotos der Ludwig-Maximilians-Universität aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg betrachtet.

Die beiden Studentinnen stehen an der gleichen Stelle, an der wohl auch vor etwa 78 Jahren der Fotograf die Aufnahme machte – und können den heutigen mit dem damaligen Zustand direkt vergleichen. Fast fühlt sich das an wie eine kleine Reise durch die Zeit. Möglich macht das die kostenlose MunichArtToGo-App.

Eine kleine Reise durch die Zeit

Das Prinzip der App ist einfach: Einmal aufs Handy oder Tablet heruntergeladen, lässt sich über eine interaktive Karte der eigene Standort in der Stadt bestimmen und der nächstgelegene Ort aufsuchen, der eine interessante und spannende Geschichte hat. In kurzen Texten erhalten die Nutzerinnnen und Nutzer Hintergrund-Informationen und können zudem historische Aufnahmen des jeweiligen Ortes betrachten.

Ludwig-Maximilians-Universität, nach Juli 1944. Die Brandspuren um die Fenster im zweiten Stock des Nordflügels geben eindrucksvoll Zeugnis von der durch den Luftangriff verursachten Feuersbrunst. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, Th216688 Text & Foto: MunichArtToGo-App

Glyptothek, Bacchischer Saal, 1939. Nach den Giebelfiguren des Aphaia-Tempels auf Aegina, die Eschenlohr nicht fotografiert zu haben scheint, galt der Barberinische Faun als zweites Hauptwerk der Glyptothek und bekam einen entsprechend prachtvoll ausgestatteten Raum: „… die Wirkung, welche der Bacchische Saal gemacht hat, ist so mächtig gewesen, daß Ew. Majestät und der Kunst in München daraus mehr Ruhm und Ruf erwachsen ist, als aus allen begonnen Werken.“ (L. v. Klenze an Ludwig I. am 25. Juli 1827). Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, o. Inv.-Nr. Erstellt von: Joseph Eschenlohr. Text & Foto: MunichArtToGo-App

Das Herzog-Max-Palais, um 1900. Der schlossartige Palast wurde 1828 bis 1931 nach Entwürfen Leo von Klenzes errichtet. Er bestand aus einem dreigeschossigen Hauptgebäude und zwei rückwärtigen Seitenflügeln. Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek/Archiv, 411730 Text & Foto: MunichArtToGo-App

Der Großteil jener Aufnahmen stammt aus der Photothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte – rund 900.000 alte Fotos werden dort verwahrt und zeigen ein München, wie es viele nicht mehr kennen. Neben Bildern der LMU finden sich hier zum Beispiel seltene Farbdias der Glyptothek, die zeigen, dass diese früher in buntem Glanz erstrahlte. Oder Fotografien des 1937 abgerissenen Herzog-Max-Palais in der Ludwigstraße, in dem Sisi, die spätere Kaiserin Österreichs, geboren wurde und aufwuchs.

Themen, die interessieren

Prof. Christian Fuhrmeister in der Photothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte mit einem Entwurf für den Brunnen am Geschwister-Scholl-Platz.

„Diesen großen Schatz wollten wir der Öffentlichkeit zugänglich machen“, erzählt LMU-Professor Christian Fuhrmeister, der an der Idee zur App maßgeblich beteiligt war. Ihm und den anderen Experten und Expertinnen vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte war dabei wichtig, nicht allein Wissen zu vermitteln, das aus Forschungsperspektive als interessant betrachtet wird. „Das heißt ja nicht, dass das die Leute da draußen in Echt auch interessiert“, lacht Fuhrmeister.

Daher war schnell die Idee geboren, ein interaktiveres Format zu entwickeln, an dem sich kunsthistorisch affine Münchner und Münchnerinnen beteiligen und ihre individuelle Perspektive einbringen können. „Manche Münchner kennen zu Orten Anekdoten, von denen wir als Kunsthistoriker gar nichts wissen. Aber gerade diese etwas abseitigen Sachen, die noch nicht in den Büchern stehen, sind spannend“, findet Fuhrmeister. Das Konzept überzeugte auch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, das das Projekt seit 2021 fördert.

Redaktionserfahrungen für die Studierenden

Die ersten Texte für die App entstanden in einem Seminar, das Fuhrmeister erstmals im Wintersemester 2021 für LMU-Studierende anbot. Studentin Blüml nahm daran teil – und es macht ihr so viel Spaß, für die App zu schreiben, dass sie mittlerweile bereits sieben Artikel bei MunichArtToGo veröffentlicht hat. Neben dem von ihr verfassten Text über die LMU finden sich unter ihrem Namen auch Artikel über die Grünanlagen bei den Pinakotheken oder die abwechslungsreiche Geschichte des Lindwurmhofs: Themen, die sich Blüml selbst ausgesucht hat, weil sie sie eben interessieren.

Gerade, dass Texte für die App eine andere Art des Schreibens als für wissenschaftliche Arbeiten erfordert, empfindet sie als eine schöne Abwechslung. „Am Anfang musste da allerdings schon ganz schön viel redigiert werden“, lacht sie. Inzwischen hat sie den Dreh aber raus. Dieses „andere“ Schreiben ist ein Aspekt, den auch Fuhrmeister wichtig findet. „Die Studierenden machen erste Redaktionserfahrungen und generieren natürlich auf die Art und Weise auch kleine Beiträge für ihre eigene Vita, um sich zum Beispiel für einen Praktikumsplatz zu bewerben. So ein referenzierter Link ist schon etwas anderes als eine Hausarbeit, die irgendwo in der Schublade liegt.“

3200 User nutzen die App

Für Blüml geht es aber nicht nur um Arbeitsproben: „Mir gefällt vor allem, dass man durch die App Kunstgeschichte und kunsthistorische Inhalte an Leute bringt, die möglicherweise sonst nicht so viel damit zu tun haben.“ Die App richtet sich gleichermaßen an Touristen und Touristinnen als auch an kunsthistorisch Interessierte, die in der eigenen Stadt auf Entdeckungstour gehen wollen. Das Konzept scheint gut anzukommen: Rund 3200 Personen nutzen die App bereits aktiv.

Eine von ihnen ist Kunstgeschichte-Studentin Antonia Bartl. Sie verfolgte von Anfang an auf Instagram mit, wie die App entstanden ist – und nahm im vergangenen Wintersemester an dem Seminar von Christian Fuhrmeister teil. „Sonst beschäftige ich mich im Studium häufig mit Themen, die geografisch oder zeitlich weit weg sind. Deshalb hatte ich Lust, mal etwas Aktuelleres und Angewandtes zu machen. Außerdem finde ich es toll, auch etwas über die Stadt, in der ich lebe, zu lernen!“

„Kultur ist kollektive Identität“

Bereits 80 Stories und sechs Touren sind online bei MunichArtToGo. Und immer wieder kommen neue hinzu. Gerade arbeitet Bartl an ihrem Artikel über die 2004 im Kunstbau des Lenbachhauses stattgefundene Kunstausstellung „Restitutionspolitik“ zum Thema Provenienzforschung. Ihren App-Eintrag möchte die 26-Jährige interaktiv gestalten. „Sodass die Leute zu den Kunstwerken aus dem Depot des Lenbachhauses und deren Geschichte wenn vielleicht nicht forschen, so sie doch selbst ein bisschen untersuchen können.“

Gerade dieses Entwickeln von neuen Ideen und Perspektiven ist etwas, was Fuhrmeister sehr an der App schätzt. „Mit der App wollten wir auch ein bisschen wegkommen von dem einigermaßen altertümlich traditionellen Bild unserer Wissenschaft. Denn man kann Kunstgeschichte durchaus offensiver und offener begreifen als nur innerhalb der Fachwissenschaft.“ Er findet: „Kultur ist auch Selbstverständnis, kollektive Identität und Erinnerung.“

Lust bekommen, selbst bei der MunichArtToGo-App mitzumachen? Weitere Informationen dazu erhalten Sie hier.

Die MunichArtToGo-App ist für Android- und Apple-Geräte sowie über den Browser verfügbar.

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