Frauen in der Forschung: Stärkende Strukturen schaffen, Hürden abbauen
12.07.2023
Netzwerke wie „Women in Data Science“, „Female Academic Medical Excellence“ und „Women in Business“ bieten Studentinnen und Forscherinnen nicht nur Austausch, sondern auch Rollenvorbilder und Weiterbildung.
In der Medizin, so scheint es Professorin Marion Subklewe, geht es auf dem Weg zur paritätischen Geschlechterverteilung besonders langsam voran. „65 bis 70 Prozent aller Studienanfänger in Deutschland sind weiblich, bei den Chefärzten aber sind es nur noch 13, unter den Lehrstuhlinhabern an Unikliniken oft weniger als 10 Prozent.“ In 50 Jahren sehe das sicher ganz anders aus. „Aber manchmal fehlt mir einfach die Geduld.” Um den Wandel voranzutreiben, hat sie ein Netzwerk für Wissenschaftlerinnen an der Medizinischen Fakultät gegründet: FAME, Kürzel für „Female Academic Medical Excellence“.
Wir Professorinnen wollen Jüngere ermuntern, auch diesen Weg einzuschlagen, und Hürden für sie abbauen.
Marion Subklewe, F.A.M.E. (Female Academic Medical Excellence)
„Wir Professorinnen wollen Jüngere damit ermuntern, auch diesen Weg einzuschlagen, und Hürden für sie abbauen“, erklärt Subklewe, die im Bereich Innere Medizin des Universitätsklinikums der LMU zum Schwerpunkt „Zelluläre Immuntherapie“ forscht.
„Unser oberstes Ziel ist es, dem weiblichen Nachwuchs ein Netzwerk und Rollenvorbilder zu bieten.“ Denn in den bestehenden Männer-Netzwerken sei es für Frauen oft schwer, nach oben vorzudringen. „Ob in einem Gremium, einem Treffen am Stehtisch oder jedem anderen Zusammenkommen mit 20 Männern und zwei Frauen: Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich unwohl fühlt, ist hoch – egal, welcher Typ Frau man ist.“
Noch immer förderten Männer in Führungspositionen eher Männer. „Vielleicht ist es für sie einfach naheliegender, Mentor für einen Kronprinzen zu sein, weil sie sich in diesem eher wiedererkennen.“
Wir wollen Frauen in alle Kommissionen, Gremien und Förderstrukturen bringen, aber auch mehr Familienfreundlichkeit im medizinischen Alltag erreichen.
Marion Subklewe, F.A.M.E. (Female Academic Medical Excellence)
„Rushhour“ des Lebens: Familienfreundlichkeit nötig
Subklewe erlebt es aber auch oft, dass Frauen freiwillig zurücktreten, wenn sich ihnen eine Führungsrolle bietet. „Viele scheuen vor dem Wettbewerb zurück und der Exposition, die die Führungsebene mit sich bringt.“ Ein möglicher Grund sei die gesellschaftliche Sozialisierung – „mit Rollenschemata, aus denen Frauen sich einfach nicht befreien können“.
Mit dem Netzwerk FAME will Subklewe auch für Strukturveränderungen an der Fakultät kämpfen. „Zum einen wollen wir Frauen in alle Kommissionen, Gremien und Förderstrukturen bringen, aber auch mehr Familienfreundlichkeit im medizinischen Alltag erreichen“, so die Medizinerin. „Denn gerade diese ‚Rushhour‘ des wissenschaftlichen Lebens, in der der Facharzt gemacht und die Habil geschrieben werden muss und man gegebenenfalls Kinder bekommen will, ist hart“, so die vierfache Mutter. „Da verlieren wir viele Frauen – und ich würde mir einfach mehr Entlastung für sie wünschen.“
Herzstück von 'Women in Data Science' ist eine jährliche Vortragsveranstaltung – ein Event von Frauen, aber nicht nur für Frauen, das die Präsenz von Wissenschaftlerinnen in Data Science deutlich machen und Rollenbilder bieten soll.
Frauke Kreuter, Women in Data Science (WiDS)
Mehr Perspektiven nützen der Forschung
Frauke Kreuter, Professorin für Statistik und Datenwissenschaft in den Sozial- und Geisteswissenschaften an der LMU, kennt Ähnliches aus ihrem Fachbereich. „Auch Data Science und Statistik sind nach wie vor sehr männlich dominiert. Je höher es auf der Karriereleiter geht, desto dünner wird der Frauenanteil.“ Damit sich auch ganz oben etwas ändere, sei es notwendig, Frauen systematisch zu unterstützen und zu ermutigen, die nächsten Karriereschritte zu tun.
Zu diesem Zweck hat Kreuter jüngst „Women in Data Science“, kurz WiDS, Munich veranstaltet – ein Netzwerkevent für Wissenschaftlerinnen, das vor rund zehn Jahren an der Stanford University initiiert wurde. Frauke Kreuter war es, die das Konzept nach 20 Jahren Leben und Forschen in den USA nach Deutschland brachte. Bei ihrer Rückkehr fiel ihr auf, dass „bei so vielen Veranstaltungen wirklich nur Männer auf dem Podium stehen, manchmal mit einer Relation von eins zu zehn“.
Das wollte sie ändern – und gründete WiDS zunächst in Mannheim und nach ihrem Ruf an die LMU auch in München. „Herzstück ist eine jährliche Vortragsveranstaltung – ein Event von Frauen, aber nicht nur für Frauen, das die Präsenz von Wissenschaftlerinnen in Data Science deutlich machen und Rollenbilder bieten soll.“ Neben Vorträgen gibt es Breakout-Sessions, bei denen sich Mini-Netzwerke bilden können.
Auch inhaltlich profitiere die Wissenschaft von unterschiedlichen Perspektiven. „Gerade Data Science wird stark durch in der Praxis auftauchende Probleme inspiriert. Da braucht man ein gutes Verständnis nicht nur von der Datenanalyse, sondern auch von daten-generierenden Prozessen.“ Immer wieder fielen dabei genderspezifische „Datenlöcher” auf.
Vorurteile und Ungleichheiten in wissenschaftlichen Daten erkennen
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Die Datenschatzsucherin: Mehr zur Forschung von Frauke Kreuter
„Bei einer Forschungsstudie zu Smartphone-Daten etwa ging es um die Schrittzahl von Handyträgern. Bei Frauen zeigte sich ein anderes Muster – was, wie wir feststellten, daran lag, dass sie ihre Tasche mit dem Handy darin irgendwo ablegten, während Männer ihr Smartphone in der Hosentasche herumtragen“, so Kreuter. „Ein banales Beispiel, das aber zeigt, weshalb diverse Gruppen mit ihrer breiteren Perspektive generell produktiver sind.
Daher setzt sie sich dafür ein, auch im Hinblick auf Alter, Migrationshintergrund und Behinderung diverse Menschen sowie solche auf unterschiedlichen Karrierestufen in Wissenschaft und Wirtschaft zu verknüpfen. „Dazu zählen Professorinnen an der Uni genauso wie junge Frauen, die neu in einem Startup arbeiten oder seit Langem bei einem Softwarekonzern.“ Perspektivenvielfalt helfe dabei auch, Vorurteile und Ungleichheiten zu erkennen und zu berücksichtigen.
Ein Karrierenetzwerk, das im Gegensatz zu WiDS und FAME von Studentinnen geleitet wird, ist „Women in Business“ (WIB), das 2018 von der damaligen BWL-Studentin Ariana Huber und ihrer Kommilitonin Laura Schraml aus der Soziologie gegründet wurde. Unterstützt vom Netzwerk LMU Management Alumni richtet es sich an Studentinnen aller Fächer der LMU. „Mit WIB möchte ich Frauen unterstützen, an sich zu glauben und sich ihrer Qualifikation bewusst zu werden“, erklärt Ariana Huber, die mittlerweile promoviert, auf der WIB-Website. Mit der Plattform will sie die bereits mehr als 500 Mitglieder ermutigen, „ihre Karriereziele ambitioniert zu verfolgen und sich dabei immer gegenseitig zu unterstützen“.
WIB soll den Studentinnen helfen, sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln und früh zu vernetzen. Mit Vorträgen, Workshops und Kamingesprächen werden Verbindungen zwischen ihnen und Unternehmen geschaffen beziehungsweise gestärkt und ihr Einstieg in die Wunschbranche vorbereitet. Nicht zuletzt soll der Austausch mit erfolgreichen Frauen Studentinnen inspirieren – und ihnen Tipps für Herausforderungen im Berufsalltag geben. In einem regelmäßigen WIB-Podcast geht es derweil um Fragen rund um Karriere und Chancengleichheit:Was sollte ich in einer Gehaltsverhandlung beachten? Wie betrifft mich der „Unconscious Bias”?
Jede Veränderung beginnt zunächst mit uns selbst.
Laura Schraml, Women in Business (WIB)
Geführt wird WIB von einem Komitee aus rund 35 Studentinnen verschiedener Fächer, die bei wöchentlichen Treffen das Programm erarbeiten; dessen Leiterin ist mittlerweile Wirtschaftspädagogik-Studentin Sophia Loschko.
„Jede Veränderung beginnt zunächst mit uns selbst“, so die Soziologie-Absolventin und WIB-Mitgründerin Laura Schraml. „Getreu diesem Motto reicht es mir nicht aus, mich nur theoretisch mit Themen wie Gender Issues, Diversity und Gender Equality zu befassen.“ Durch Workshops und Gastvorträge will man stattdessen „nicht nur Aufmerksamkeit auf diese Thematik lenken, sondern aktiv zu einem Wandel beitragen.”