Sie untersuchen Asche aktiver Vulkane, kontrollieren Mückenpopulationen und tauchen bei Vollmondlicht, um mehr über die Korallenblüte zu erfahren: Forschende verschiedener Fächer erzählen, warum sie ihre Forschung in die Ferne führt.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geben Einblicke in Forschungsprojekte, die sie mitunter weit weg führen, zum Beispiel nach Ghana oder Japan, nach Mexiko oder in den Sudan, nach Ungarn oder auf die Philippinen.
Archäologische Spurensuche entlang des Nils
„Der Sudan taucht aktuell leider vor allem als Kriegsschauplatz in den Medien auf. Doch dieses wunderbare Land mit seinen großartigen Bewohnerinnen und Bewohnern (den gastfreundlichsten Menschen, die man sich vorstellen kann!) und Massen an archäologischen Hinterlassenschaften und historischen Monumenten ist auch ein Paradies für archäologische Ausgrabungen. Im Vergleich zu Ägypten beispielsweise gibt es hier noch sehr viel mehr zu entdecken, viele Fragen zum Alltagsleben in früheren Epochen, aber auch zu religiösen Praktiken sind noch immer ungeklärt. Deshalb ist der Sudan mein absoluter Lieblingsarbeitsplatz.
Wir arbeiten derzeit in einer wenig bekannten Region im Nordsudan, zwischen den Ortschaften Attab und Ferka. Das Großartige ist hier, dass wir die unterschiedlichsten Fundplätze aus einer Zeitspanne von mehr als 8.000 Jahren untersuchen: von Siedlungen, Festungen, Kirchen und Friedhöfen zu Felsbildern und einfachen Abschlagplätzen von Steinwerkzeugen. Unser Ziel ist die Erstellung einer Biografie der Landschaft – das Wechselspiel von Klima, Gelände und Flusslauf mit Flora und Fauna und natürlich Menschen und deren Aktivitäten. Eine ambitionierte Spurensuche, die mich aber in eines der schönsten Länder der Welt führt."
Prof. Dr. Julia Budka ist Professorin für Ägyptische Archäologie und Kunstgeschichte. Im Sudan und in Ägypten leitet sie Ausgrabungen im Rahmen mehrerer Projekte wie des ERC-Projekts „DiverseNile“.
Der Sudan taucht aktuell leider vor allem als Kriegsschauplatz in den Medien auf. Doch dieses wunderbare Land mit seinen großartigen Bewohnerinnen und Bewohnern und Massen an archäologischen Hinterlassenschaften und historischen Monumenten ist auch ein Paradies für archäologische Ausgrabungen.
Julia Budka, Professorin für Ägyptische Archäologie und Kunstgeschichte
„Ich beschäftige mich mit Symbiosen zwischen Korallen und Algen. Meine Arbeitsgruppe erforscht diese komplexen Beziehungen in der Regel im Labor mit einer symbiotischen Anemone als Modellsystem. Doch einmal im Jahr reisen wir für ungefähr drei Wochen nach Okinawa in Japan, um unsere Ergebnisse im Feld zu verifizieren. Besonders interessant ist der Moment, in dem die Tiere sich fortpflanzen. Das geschieht nämlich in der Regel nur ein einziges Mal im Jahr, in einer speziellen Vollmondnacht.
Korallen sind am Boden festgewachsen, und im Meer ist es gar nicht so leicht, dass Spermium und Eizelle zueinanderfinden. Deswegen stimmen sich die Nesseltiere ab und geben in einer Nacht im Mai oder Juni alle gleichzeitig ihre Keimzellen ins Wasser ab. Da die Mondphase dabei eine wichtige Rolle als Taktgeber spielt, ist die ‚Korallenblüte‘ stets in romantisches Vollmondlicht getaucht. Wie die Korallen es schaffen, sich nicht nur auf den Tag, sondern sogar auf die Stunde genau zu synchronisieren, ist noch nicht vollständig geklärt. In unserem Labor versuchen wir, die Bedingungen künstlich nachzustellen, indem wir die Anemonen nachts für eine bestimmte Zeit mit blauem LED-Licht bestrahlen. In der Natur ist das Phänomen der Korallenfortpflanzung aber um einiges spektakulärer.
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Projekt zum Schutz von Biodiversität: Wissenschaft und Kunst verbinden
Da wir noch nicht genau wissen, wie das Korallenlaichen funktioniert, können wir es nur auf ungefähr sechs Tage vor oder nach dem Vollmond vorhersagen. Wir fahren also mit dem Boot raus und sammeln ein paar Tage vor der eigentlichen Vollmondnacht Korallenkolonien, die wir dann an Land in Wasserbecken aufbewahren. An diesen Proben können wir dann ein paar Stunden vorher erkennen, in welcher Nacht es losgeht.
Es klingt natürlich sehr romantisch, im Licht des Vollmonds durch das Korallenriff zu schnorcheln. Es kann aber auch abenteuerlich werden, wenn in der Regenzeit Taifune über Okinawa hinwegziehen oder man im Wasser einer giftigen Seeschlange begegnet.“
Prof. Dr. Annika Guse ist Molekularbiologin. Seit dem Sommer 2022 ist sie Professorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Quantitative Organismische Netzwerke an der Fakultät für Biologie der LMU.
Forschungsreise zu einem aktiven Vulkan
„Auf diesem Foto stehe ich vor einer 6 Kilometer hohen Aschewolke des Vulkans Sakurajima (桜島, wörtlich ‚Kirschblüteninsel‘) in Kyushu, Japan. Der Vulkan ist ständig aktiv und bricht mehrmals pro Woche explosionsartig aus. Dabei erzeugt er feine Aschewolken, die auf die nahe gelegene Stadt Kagoshima niedergehen.
Die Insel Sakurajima wurde während des Taisho-Ausbruchs im Jahr 1914 (benannt nach der Regierungszeit des Taisho-Kaisers 1912-1926) zu einer Halbinsel, nachdem gewaltige Lavaströme den Vulkan mit dem Festland verbunden hatten. Im Jahr 1955 wurde der Vulkan wieder aktiv, seither kommt es fast ununterbrochen zu Eruptionen. Der Sakurajima kann daher als ‚Laborvulkan‘ betrachtet werden, wo Vulkanologen Überwachungsinstrumente und Eruptionsmodelle testen können. Zudem ist er auch dafür bekannt, dass bei seinen Explosionen häufig vulkanische Blitze zu sehen sind.
Aus diesen Gründen ist Sakurajima einer der Vulkane, die ich im Rahmen meines ERC-Consolidator-Projekts ‚VOLTA‘ untersuche mit Blick auf vulkanische Blitze und die Elektrifizierung vulkanischer Aschewolken. Die am Sakurajima entwickelten Modelle und Theorien zur Elektrifizierung von Asche und zur Entstehung von Blitzen werden inzwischen auf viele andere Vulkane der Welt übertragen.“
PD Dr. Corrado Cimarelli ist Geologe und erforscht am Department für Geo- und Umweltwissenschaften vulkanische Blitze und dabei vor allem die Elektrifizierung der Aschewolke.
Kunst und Leben Theaterschaffender im 19. Jahrhundert wiederentdecken
„In meinem ERC-Forschungsprojekt T-MIGRANTS untersuche ich Migrationen von Theaterschaffenden und die hieraus resultierenden Konsequenzen im langen 19. Jahrhundert – einem Jahrhundert, in dem Theater ein Massenmedium war und in dem viele Theaterkünstler:innen weltweit mobil waren.
Diese transnationalen Leben produzierten eine hohe Anzahl an Spuren und Quellen, doch sind diese oft so zerstreut und fragmentiert wie das Leben ihrer Akteur:innen selbst. Es bedarf daher eines hohen Aufwands und vieler Forschungsreisen, um relevante Informationen Stück für Stück zu eruieren.
Um zum Beispiel dem Leben und Schaffen des Regisseurs Ryszard Ordyński (1878-1953) beizukommen, sind neben Ländern des deutschsprachigen Raumes Forschungen in Polen, Frankreich, England und den USA erforderlich, um nur die wichtigsten zu nennen.
Auf diesem Foto, das ich vor wenigen Wochen im Theatermuseum in Warschau gemacht habe, sehen Sie ein Zigarettenetui: Es handelt sich um ein Geschenk des berühmten Regisseurs Max Reinhardt (1873-1943) an Ordyński, der die Gastspiele von dessen Inszenierung Sumurun vom 4. Januar bis 23. April 1912 in den USA leitete – ein Faktum, das in Geschichtsbüchern kaum Erwähnung findet, da diese Gastspielreise in erster Linie mit dem Namen des großen Meisters in Verbindung gebracht wird.
Das Interessante an dem Fund in Warschau ist, dass dieser wichtige Informationen zu dem US-Gastspiel aufweist: Neben den Reise- und damit auch Aufführungsorten (New York, Chicago, Philadelphia und Boston) sind unter anderem alle Namen des mit Ordyński in die USA reisenden Ensembles eingraviert sowie der freundschaftliche Dank Reinhardts für die Leistungen seines Mitarbeiters.“
Prof. Dr. Berenika Szymanski-Düll ist Professorin für Theaterwissenschaft mit Schwerpunkt transnationale Theatergeschichte am Institut für Theaterwissenschaft der LMU.
Mückenkontrolle, um Leben zu retten
„Ich bin Infektiologe, Tropenmediziner und Spezialist im Bereich Internationale Gesundheit und leite am Tropeninstitut des LMU Klinikums die Teaching & Training Unit. Im Rahmen meiner Lehr- und Projekttätigkeit reise ich oft ins Ausland, zum Beispiel nach Nepal und Ghana.
Zu unseren Programmen gehören neben den PhD- und Masterstudiengängen auch kürzere Ausbildungsmodule. Auf eines davon sind mein Team und ich besonders stolz: unser Advanced Module Vector Biology and Control in Ghana. In diesem zehntägigen Kurs lernen Teilnehmende aus aller Welt, wie man Mücken in ihren verschiedenen Stadien fängt, wie man sie differenziert, wie man Resistenzen identifizieren und wie man eine Mückenpopulation kontrollieren kann. Der Kurs wurde in Zusammenarbeit mit einem meiner früheren Doktoranden in Ghana entwickelt, dem Insektenexperten Dr. Andreas Kudom.
Das Thema ist sehr wichtig, denn in Ländern wie Ghana sterben viele Kinder an Krankheiten, die durch Mücken übertragen werden, zum Beispiel an Malaria. Die Kenntnisse sind aber auch für Europa relevant, denn an immer mehr Orten siedeln sich auch bei uns Mücken an, die es früher nur in den Tropen gab. Das hat nicht zuletzt mit dem Klimawandel und der Globalisierung zu tun.
Ich sehe also zunehmend, dass die Expertise eines Tropenmediziners nicht nur mit fernen Ländern zu tun hat. Dennoch reise ich immer wieder gerne zu unserem gemeinsamen Kurs zu den Kollegen in Cape Coast, Ghana. Der Austausch ist wichtig für unsere Zusammenarbeit mit Kollegen auf anderen Kontinenten, denn trotz aller digitaler Entwicklungen bleibt der persönliche Kontakt unersetzbar.“ PD Dr. med. Günter Fröschl ist Facharzt für Innere Medizin, Infektiologie, Tropenmedizin und Leiter der Teaching & Training Unit sowie Board Member des Center for International Health am Klinikum der LMU.
Die tropischen Korallenriffe stehen vor großen Herausforderungen, allem voran durch den Klimawandel. Durch unsere Forschungen versuchen wir, einen Beitrag zum besseren Verständnis dieser faszinierenden Ökosysteme und somit zur Erhaltung dieser einmaligen Lebensräume und ihrer enormen Diversität zu leisten.
Gert Wörheide, Lehrstuhl für Paläontologie und Geobiologie am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU
Tauchen in verborgene Welten
„Seit den frühen 1990er-Jahren haben mich die Korallenriffe des Indo-Pazifiks in ihren Bann gezogen, als ich als Student meine ersten Tauchgänge im Roten Meer unternahm. Die atemberaubende Vielfalt insbesondere der wirbellosen Tiere hat mich regelrecht überwältigt und einen nachhaltigen Einfluss auf meinen wissenschaftlichen Werdegang ausgeübt. Ich verspürte den tiefen Wunsch, mehr über diese faszinierenden Organismen zu erfahren, von denen so viel noch unbekannt ist.
Auf unseren zahlreichen Expeditionen zu den Korallenriffen sind wir immer wieder auf bislang unbekannte Arten gestoßen, jeder Tauchgang birgt neue Geheimnisse und enthüllt uns einen weiteren Ausschnitt dieser verborgenen Welt.
Doch die tropischen Korallenriffe stehen auch vor großen Herausforderungen, allem voran durch den Klimawandel. Durch unsere Forschungen versuchen wir, einen Beitrag zum besseren Verständnis dieser faszinierenden Ökosysteme und somit zur Erhaltung dieser einmaligen Lebensräume und ihrer enormen Diversität zu leisten.“
Prof. Dr. Gert Wörheide erforscht die Anfänge tierischen Lebens auf der Erde und ist Inhaber des Lehrstuhls für Paläontologie und Geobiologie am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU.
„Wie sehen die philippinischen Wälder der Zukunft aus? Während Aufforstungsprojekte in klimapolitischen Debatten allgegenwärtig sind, rückt die Frage, welche Baumarten gepflanzt werden, oft in den Hintergrund. Obwohl die Philippinen etwa 3.600 heimische Baumarten aufweisen, ist es vor allem eine kleine Anzahl nicht-philippinischer Baumarten, die in den Aufforstungsprojekten der letzten 70 Jahre gepflanzt wurde – ein Trend, der sich in ganz Südostasien zeigt.
Dr. Marlito Bande und Jimmy Pogosa vom Institute of Tropical Ecology and Environmental Management der Visayas State University versuchen, diesem Trend und den Narrativen von ‚zu komplexen‘ und ‚zu langsam wachsenden‘ heimischen Baumarten entgegenzuwirken. Seit 30 Jahren bereiten sie Wissen rund um heimische Arten auf und versuchen Farmerinnen und Farmer sowie staatliche Behörden von diesen zu überzeugen, indem sie Aufforstungsgebiete etablieren, wie die 1997 entstandene Waldfläche, die auf dem Bild zu sehen ist.
Mein Promotionsprojekt widmet sich diesen Überzeugungs- beziehungsweise Kommunikationspraktiken und den unterschiedlichen Sichtweisen auf philippinische Baumarten. Aus umweltethnologischer Perspektive untersuche ich, welche Prozesse zur Dominanz nicht-philippinischer Baumarten führten und welche Narrative, Perspektiven und Praktiken das Pflanzen von heimischen Baumarten weiterhin erschweren.
Um diesen Fragen nachzugehen, führe ich Interviews mit staatlichen Behörden, nehme an Workshops teil, in denen Wissen um heimische Arten geteilt wird, und wandere mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durch Aufforstungsgebiete, um über die Vergangenheit, aber auch die Zukunft der philippinischen Wälder zu sprechen.“
Christopher Klapperich ist Ethnologe und Mitglied im internationalen Promotionsprogramm „Rethinking Evironment“ am Rachel Carson Center for Environment and Society.
Forschen in den Theater-Archiven und Bibliotheken von Hongkong über Europa bis zu den USA
„Wissenschaftliches Arbeiten in einem internationalen Umfeld begleitet mich im Grunde seit meiner Promotion. Ich habe in einem internationalen Promotionsprogramm promoviert und schätze den Austausch mit Kommiliton:innen unterschiedlicher kultureller Herkunft immens. Meine Forschungsarbeiten, aber auch mein Amt als Präsidentin der Société internationale des bibliothèques, des musées, archives et centres de documentation des arts du spectacle (SIBMAS) führen mich immer wieder in andere Länder.
Für die Recherche für mein letztes Buch über Theater-Agent:innen war ich lange Zeit in den USA und in Paris, aber auch in Archiven in Großbritannien und Ungarn. Gerade erst vergangenen Monat bin ich nach Hongkong gereist und konnte die hiesigen Theater-Bibliotheken und -Archive kennenlernen und dann natürlich auch Theater besuchen. Im nächsten Jahr findet dort die Jubiläumskonferenz der SIBMAS statt.
Meine aktuelle Forschung bringt mich nach Iran. Ich arbeite über eine amerikanische Impresaria und Journalistin, die während der Regentschaft Reza Shahs das Theater in Teheran aufbauen half und eine Ballett-Kompanie gründete, mit der sie Anfang der 1950er-Jahre auf große Tournee ging. Recherchen vor Ort sind wegen der immer noch anhaltenden Unruhen in Iran aktuell nicht möglich. Wie alle hoffe ich, dass sich die Lage bald wieder beruhigen wird. Bis dahin arbeite ich mit relevanten Repositorien in Frankreich, den USA und in UK und privaten Nachlässen von und Interviews mit ihren ehemaligen Tänzerinnen.“
PD Dr. phil Nic Leonhardt ist Privatdozentin für Theaterwissenschaft an der LMU München, Fellow am Käte Hamburger Kolleg Global Dis:Connect, München, und Präsidentin der Société internationale des bibliothèques, des musées, archives et centres de documentation des arts du spectacle (SIBMAS).
Meine Arbeit trägt dazu bei, das Verständnis, den Erhalt und die nachhaltige Nutzung kulturellen und materiellen Erbes aus der Vergangenheit in vielen Teilen der Welt zu verbessern.
Nicola Lercari, Lehrstuhl für Digitale Kulturerbestudien
Weltweit Kulturerbe erforschen und erhalten
„Meine Forschung liegt an der Schnittstelle von Geisteswissenschaften und Informatik. Im Laufe meiner wissenschaftlichen Karriere habe ich schon an verschiedensten kulturell bedeutenden Orten geforscht – und das in ganz unterschiedlichen Ländern. Dazu zählt Eloro, eine einst griechische Siedlung nahe Syrakus auf Sizilien. Aber ich war auch in Anatolien in der Türkei (neolithische Siedlung Çatalhöyük ), in der Sierra Nevada in Kalifornien (in der Stadt Bodie), in Fort Ross in der Küstenlandschaft Sonoma im Norden Kaliforniens und in Palenque im Staat der Chiapas, südliches Mexico.
Das Feld der digitalen Kulturerbestudien verbindet Kulturerbestudien mit konservatorischer Forschung, Archäologie, Museumskunde, Computerwissenschaften und Informatik. So entstehen neue Strukturen und Methoden, um vergangene Kulturen zu erforschen, zu verstehen und zu schützen.
Als Forscher zu digitalem Erbe habe ich das Privileg, zu faszinierenden Orten zu reisen, in die jeweilige lokale Kultur einzutauchen sowie deren Traditionen kennenzulernen. Zugleich kann ich mit neuesten Technologien arbeiten, wie zum Beispiel dem Drohnen-basierten LiDAR-System und bodengestütztem Laser-Scanning, um archäologische und historische Stätten aufzuzeichnen sowie auch museale Sammlungen.
News
Forschung an der Schnittstelle von Geisteswissenschaften und Informatik
Zurück an der LMU verarbeiten mein Team und ich die gesammelten Daten mithilfe geographischer Analyse und maschinellem Lernen. So erstellen wir wunderschöne 3D-Visualisierungen und kuratierte Datensammlungen, die wir auch mit den Menschen und Gruppen teilen, die uns im Rahmen unserer Feldstudien unterstützen. Abgesehen von der spannenden Möglichkeit, neue digitale und geographische Methoden anzuwenden, liegt die weitreichendere Bedeutung meiner Arbeit darin, das Verständnis, den Erhalt und die nachhaltige Nutzung kulturellen und materiellen Erbes aus der Vergangenheit in vielen Teilen der Welt zu verbessern.”
Prof. Dr. Nicola Lercari ist Inhaber des Lehrstuhls für Digitale Kulturerbestudien an der LMU. Im Rahmen seiner Forschung nutzt er neueste Technologien, um Vergangenes sichtbar zu machen.
Historische Rätsel in Rom lösen
„Einmal in der ewigen Stadt leben und studieren – dieser Traum ist für mich wahr geworden: Ich recherchiere für meine Doktorarbeit den Reliquienschatz der Wittelsbacher zur Zeit von Herzog Wilhelm V. und Maximilian I. (1577–1651). Die Münchner waren sehr bemüht, zahlreiche Reliquien von überall aus Europa zu erwerben, um einen prachtvollen Heiltumsschatz zu gründen. Dabei spielen diplomatische Beziehungen und katholische Machtausübung zur Zeit der Gegenreformation eine große Rolle. Die Herzöge standen in Kontakt mit den Päpsten und bekamen von diesen sogar Reliquien geschenkt.
Wie sich der Weg der heiligen Gebeine in die bayerischen Kirchen gestaltete, erforsche ich im Archivio Apostolico Vaticano und dem Archivum Romanum Societatis Iesu. Es ist schon ein Wahnsinnsgefühl, wenn man einen circa 430 Jahre alten Brief in der Hand hält, den davor wahrscheinlich noch niemand gelesen hat. Die Arbeit in den Archiven fühlt sich an wie eine Mischung aus Goldgräberstimmung und Detektivarbeit: Man muss anhand von einzelnen Fragmenten die historischen Ereignisse nachvollziehen und kommt dabei ganz schön ins Knobeln. Die Ergebnisse werden dabei aber nicht nur verschriftlicht – alle Korrespondenzen und Dokumente werden anschließend in eine Graphdatenbank überführt. Anhand dieser kann man die Provenienzen nachvollziehen und gleichzeitig erkennen, wer die wichtigsten Personen beim Erwerb von Reliquien waren, welche historischen Ereignisse Einfluss auf die Entstehung des Reliquienschatzes ausübten und ob es gewisse Sammlungsschwerpunkte gab.“
Katharina Kainz studiert Kunstgeschichte und ist mit einem Forschungsstipendium des DAAD für vier Monate im Ausland, um für ihre Doktorarbeit zu recherchieren. Nach dem Aufenthalt in Rom geht die Arbeit in den bayerischen Archiven weiter, dabei wird sie von einem Stipendium der Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt.
Im Irak für Ausgrabungen der Neustadt von Assur
„Ich halte mich oft in der Stadt Sulaymaniyah in der kurdischen Region des Iraks auf, die ich 2010 zum ersten Mal besucht habe, als sie noch den Charakter einer verschlafenen Kleinstadt in den Bergen hatte. Ich erforsche dort und in ihrer Umgebung die Kultur des alten Assyrien, einst das politische und kulturelle Zentrum der Welt – und die erste Großmacht der Geschichte.
Seit 2010 hat sich Sulaymaniyah verändert, es gibt Wolkenkratzer und Luxushotels. Ich wohne nach wie vor im Gästehaus der Antikenverwaltung: ein alter, zweistöckiger Lehmziegelbau mit Bad und Küche in Nebengebäuden, der am Ende des alten Bazars in der Nähe der großen Moschee liegt. In diesem Haus habe ich über die Jahre viel erlebt: eine Abendessenseinladung, bei der der liebevoll zubereitete Fisch bei unseren kurdischen Gästen keine Abnehmer fand und wir diskret Kebab auf dem Bazar besorgten; lange Abende im Hof mit Kollegen aus Bagdad beim Dominospiel in der irakischen Variante, bei dem jedes Mal, wenn man den Sieg sicher glaubte, eine neue Regel vorgestellt wurde; und natürlich spontane Begegnungen mit alten Freunden, die man in Afghanistan oder im Kaukasus vermutet hatte. Ich komme immer gerne zurück. Meine Ausgrabung der Neustadt von Assur hat ja gerade erst begonnen.“
Prof. Dr. Karen Radner ist Inhaberin des Alexander von Humboldt-Lehrstuhls für die Alte Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens.