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Kunst und Wissenschaft: Henri Matisse am CAS

21.01.2025

Die Ausstellung des Künstlerbuchs „Jazz“ inspiriert den interdisziplinären Austausch und Forschende am Center for Advanced Studies der LMU.

Henri Matisse hatte schon bessere Zeiten erlebt, als er mit seiner Arbeit am Künstlerbuch Jazz begann. Seine Frau hatte sich scheiden lassen, in Europa tobte der Zweite Weltkrieg, und Matisse war infolge einer Krebserkrankung und Operation an den Rollstuhl gefesselt, von Schmerzen geplagt. Der Maler griff zur Schere.

Matisse schnitt Formen aus koloriertem Karton – ein künstlerischer Prozess, bei dem er „in die Farbe schnitt“, wie er sagte. Damit schuf er ein Werk, das heute zu seinen bekanntesten zählt, und entwickelte eine neue Bildsprache, die nachfolgende Kunstschaffende stark beeinflusst hat.

Zu sehen ist das Künstlerbuch Jazz aktuell am Center for Advanced Studies (CAS) der LMU. Das Album wurde 1947 in einer limitierten Auflage von 100 Exemplaren veröffentlicht. Das von Matisse signierte Exemplar Nummer 97 ist am CAS ausgestellt.

Möglich machte das die langjährige Kooperation mit dem Franz Marc Museum, das im Besitz des Albums ist, und seiner bisherigen Leiterin Dr. Cathrin Klingsöhr-Leroy, die die Ausstellung kuratiert hat. Das CAS bietet seit seiner Gründung mit jährlich wechselnden Ausstellungen ein Forum für den Austausch von Wissenschaft und Kunst. Inzwischen sei Kunst ein wesentlicher Bestandteil des interdisziplinären Arbeitens am CAS, so Geschäftsführerin Dr. Annette Meyer.

Blick in die Räume des CAS und auf die aktuelle Ausstellung

„Das Haus wirkt immer anders, je nachdem, was gerade ausgestellt ist“, sagt Lena Bouman vom CAS.

© Siegfried Wameser Muenchen

Literaturwissenschaftler Professor Carlos Spoerhase beschäftigt sich aktuell im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsschwerpunkts am CAS mit Fragen der Maßstäbe und Skalierung. „Es ist hochinteressant, welche beeindruckenden Maße das Matisse-Buch hat. Das wirft die Frage auf: Was machen wir mit einem so großen Buch? Wir können es weder mit uns herumtragen noch im Sitzen lesen, sondern müssen es auf einen Tisch legen und von oben betrachten. Das zeigt, dass Skalierung ein Mittel dafür ist, wie wir mit Kunstobjekten umgehen.“

Jazz wurde als Album ohne Text veröffentlicht, aber auch in einer limitierten Auflage in Buchform mit handgeschriebenen Texten von Matisse. Der Vergleich von beiden zeige, wie Matisse seine Handschrift eingesetzt hat. „Die Schrift hat eine eigene Bedeutung, einen eigenen bildnerischen Ausdruck“, so Spoerhase und verweist darauf, dass sich Matisse selbst als „Jongleur“ bezeichnet habe, der zwei unterschiedliche Bälle – Schrift und Bild – in der Luft halte.

Ikarus, Matisse, Künstlerbuch Jazz

Abbildung „Ikarus“ aus dem Künstlerbuch Jazz von Henri Matisse.

© Bayerische Staatsbibliothek

Inspirierende Begegnungen am CAS von Wissenschaft und Kunst

Die Verbindung von Kunst und Wissenschaft ist elementar für die Ausstellungskonzeptionen am CAS. „Wir bilden Tandems von Künstlerinnen, Künstlern und Forschenden“, sagt Dr. Lena Bouman vom CAS. Bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern komme das sehr gut an. „Es ist toll, wenn es funkt zwischen beiden und man sieht: Sie befruchten sich in ihrer Arbeit gegenseitig. Daraus entstehen manchmal auch neue und längerfristige Verbindungen.“

Diese Erfahrung hat zum Beispiel Ena Oppenheimer gemacht. Die Künstlerin stellte im Wintersemester 2023/24 am CAS unter dem Titel „Black Holes and Wishing Machines“ aus. Ena Oppenheimer beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit Formen und der Frage, was das Lebendige ausmacht. „Kunst und Wissenschaft haben viel gemeinsam: das forschende Schauen in die Welt, die Neugier.“ Ihre Zusammenarbeit mit Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern hat sich über Jahre entwickelt. „Diese Begegnungen zu Themen, die ich teils auf eine Weise bearbeite, die sehr intuitiv ist, sind sehr spannend.“ Sie führen auch zu neuen Projekten. So hat Oppenheimer inzwischen in Zusammenarbeit mit Astrophysiker Professor Andreas Burkert die Ausstellung „Dark Matter – The Invisible“ realisiert.

In die Ausstellung am CAS führte der Mathematiker Dr. Ingmar Saberi ein und betonte in seinem Vortrag, für wie „kostbar“ er den gemeinsamen Austausch hält: „Im gemeinsamen Nachdenken über offene Fragen betreten wir Räume, die noch nicht da waren, und erfahren Dinge, die keiner mitgebracht oder auch nur erwartet hatte: Sie entstehen überhaupt erst, weil wir reden. Jeder kommt von dieser Reise verändert zurück: Wir sind anders und denken auf andere Weise über die Welt nach.“

Gespräch über das Album von Matisse

Jazz und Politik. Zum Entstehungskontext des Künstlerbuches von Matisse

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Carlos Spoerhase erlebt die Auseinandersetzung mit dem Künstlerbuch von Matisse als „sehr produktiv“. Am 29. Januar nimmt er an einer Podiumsdiskussion am CAS über den Entstehungskontext des Buchs teil.

„Es wird ein interessantes Gespräch zwischen Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft“, sagt Spoerhase. „Das Album von Matisse ist ein tolles Projekt. Man braucht unterschiedliche Perspektiven, um dem gerecht zu werden und um zu verstehen, warum es eines der bemerkenswertesten Bücher überhaupt ist.“

Kunst am CAS

Podiumsdiskussion am 29.1.25: Zur Entstehungsgeschichte des Künstlerbuchs Jazz von Matisse

Henri Matisse am CAS: Aktuelle Ausstellung

Kunst am CAS: Vergangene Ausstellungen

Ena Oppenheimer am CAS: Black Holes and Wishing Machines

Do your own research center : Über die Ausstellung von Niko Abramidis am CAS

Forschung am CAS

Schwerpunkt Maßstäbe: Arbeitsgruppe und Programm

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